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Ich benutze es, daß Dorothea Ihnen schreibt, um Ihnen mit diesen unbedeutenden Worten ein Zeichen meiner Verehrung und Freundschaft zu senden. Gebe der Himmel nur, daß ich Sie nach einigen Wochen recht wohl und gesund sehe. – Ich bitte auch, mich Ihrer Frau Schwester[1] so wie Ihrem Gemahl zu empfehlen.

Ihr
Teplitz, ganz ergebenster
d. 21. Juni 1826. L. Tieck.


II

Ist es Ihnen möglich, verehrte Freundinn, vielleicht noch etwas vor 5 Uhr zu uns zu kommen, um so erwünschter, – ich habe die Anstalt getroffen, daß wir bis 7 Ulhr ganz ungestört sein können, und bis dahin wird Freund Loebell[2] wohl seine Vorlesung geendiget haben; aber gut ist es, wenn Sie nicht nach 5 Uhr kommen.

Wenn Ihre Gesundheit doch sich nur so befestigte, daß ich endlich dieser quälenden Angst loswürde. – Immer mehr fühle ich, wie unser ganzes Leben doch nur ein Träumen ist: lauter Anstalten, Anlauf, Einrichtung, und so wenig Erfüllung. Indeß auch so, wie es ist, ist es nothwendig, gut, und Augenblicke müssen freilich Wochen aufwiegen. Wird es etwa immer so sein?

Wenn Sie nur heut nicht abgehalten werden. Der Ihrige
Am Freitag Morgen. Lud. T(ieck).


III[3]
Geliebte Freundinn

Ich kann meinen vertrauten Freund Herrn von Bülow[4] nicht von Berlin zu meinem großen Leidwesen scheiden sehn, ohne ihm ein Blatt für Sie mitzugeben, das Sie nur an mich erinnern soll, weil, wie Sie längst wissen, das Briefschreiben meine schwächste Seite ist. – Von meinem Befinden mag ich Ihnen nicht vorklagen, Sie würden mich aber gewiß um Vieles schwächer finden, wenn Sie mich sähen. Der Winter ist mir gar nicht zuträglich gewesen, und ich mache schon wieder Pläne, ob ich nicht auf einige Wochen nach Baden[5] gehe. Ich lebe hier viel einsamer als in Dresden, ich sehe nur wenige Menschen, meist nur meine und meiner Freundinn Familie[6], und eigentlich lebte ich ja auch in Dresden nur mit Ihnen, wenigen Freunden[7], und die Menge, die mich heimsuchte bestand


  1. Frau von Lüttichaus jüngere Schwester Rosalie (geb. 1800) hatte 1821 den nachmaligen preußischen General Gustav Xaver von Bojanowsky geheiratet. Vgl. Ein Lebensbild 9. 12, 26; Gothaisches geneal. Taschenbuch der adeligen Häuser Jahrg. 3, 1902, 456.
  2. Über Johann Wilhelm Loebells Freundschaft mit Tieck vgl. Tieck, Schriften VI 3 f.; Köpke a. a. O. II 70 f., 260 f.; Friesen a. a. O. I 31; über Loebells Bedeutung als Geschichtsforscher siehe Theodor Bernhardt und Karl von Noorden, Zur Würdigung J. W. Loebells (Braunschweig 1864) und Franz von Wegele, Allgemeine Deutsche Biographie XIX 35–38.
  3. Von den erhalten gebliebenen Briefen, die Tieck der Freundin aus Berlin schrieb, ist dies der frühste. Wir entnehmen ihm die wichtige Tatsache, daß der Dichter die Folgen seines vor anderthalb Jahren erlittenen Zusammenbruchs erst März 1844 einigermaßen überwunden hat. – Über Tiecks Eigenheit, das Briefschreiben immer wieder hinauszuschieben, siehe Köpke a. a. O. II 128 f.
  4. Karl Eduard von Bülow, der dreißig Jahre jüngere Schüler und Freund Tiecks, machte sich in erster Linie als fleißiger Übersetzer, aber auch als Herausgeber und Novellendichter einen Namen. Vgl. Heinrich Reimann, Hans von Bülow (Berlin 1908) I 19 ff.
  5. Baden-Baden war dem Dichter durch fünfmaligen Kurgebrauch in den Jahren 1810, 1830, 1834, 1836 und 1841 bekannt (Köpke a. a. O. I 345, II 91 und 105).
  6. Von Tiecks engerer Familie lebte 1844 außer seiner jüngeren Tochter Agnes, die 1843 nach Schlesien geheiratet hatte, nur noch sein seit 1820 in Berlin als Bildhauer tätiger Bruder Friedrich. Seine Schwester Sophie war 1833, seine Frau 1837, seine ältere Tochter Dorothea 1841 gestorben.
  7. Zu den engsten Dresdener Freunden gehörten außer Bülow sein späterer Biograph, der Kammerherr Hermann Freiherr von Friesen, der als Molière- und Shakespeare-Übersetzer bekannte Schriftsteller Wolf Graf Baudissin, den sein literarischer „Oberlehnsherr“ in Berlin besonders schmerzlich vermißte, sowie die beiden 1838 bzw. 1839 aus Düsseldorf nach Dresden berufenen Akademieprofessoren, die Porträt- und Historienmaler Eduard Bendemann und Julius Hübner.