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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 2 (1911).djvu/14

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Frau Hau mit ihrem Kinde in London weilte, wurde sofort an die Londoner Polizei depeschiert und um Festnahme des Hau gebeten. Diese erfolgte sogleich. Hau wurde sehr bald ausgeliefert und in das Untersuchungsgefängnis nach Karlsruhe gebracht. Er bestritt mit vollster Entschiedenheit, den Mord begangen zu haben. Anfang Juni 1907 hatte Frau Hau mit ihrem Gatten eine längere Unterredung im Untersuchungsgefängnis. Die unglückliche Frau sagte dem Hau: Sie könne es nicht überleben, daß in öffentlicher Gerichtssitzung ihre Familienverhältnisse vor aller Welt erörtert werden, auch sei sie der Meinung, daß Hau ihre Mutter erschossen habe. Sie wolle sich deshalb das Leben nehmen. Zwei Tage darauf ertränkte sich Frau Hau im Pfäffikoner See bei Zürich. Am 17. Juli 1907 begann die öffentliche Verhandlung wider Professor Dr. Hau vor dem Großherzoglichen Schwurgericht zu Karlsruhe. Die Anklage war wegen Mordes, auf Grund des § 211 des Straf-Gesetzbuches, erhoben. Den Vorsitz des Gerichtshofes führte Landgerichtsdirektor Dr. Eller. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Dr. Bleicher. Die Verteidigung führte und zwar als Wahlverteidiger, Rechtsanwalt Dr. Dietz-Karlsruhe. Die Verhandlung, die fünf volle Tage dauerte, wurde in der ganzen Kulturwelt mit größter Spannung verfolgt. Der Angeklagte war ein großer, schlanker, bartloser junger Mann von 26 Jahren. Sein dunkles Haupthaar war bereits etwas gelichtet. Man sah es ihm an, daß er sehr ausschweifend gelebt hatte. Er machte den Eindruck eines jungen Theologen; man konnte ihn auch für einen Schauspieler halten. Er stand zumeist mit gekreuzten Armen auf der Anklagebank und trug eine geradezu erstaunliche Ruhe zur Schau. Er war am 3. Februar 1881 als Sohn des Direktors der Vorschußbank zu Berncastel geboren und katholischer Konfession. Er wurde von vier Gendarmen auf die Anklagebank geführt. Hau unterhielt sich zunächst lächelnd mit seinem Verteidiger. Alsdann setzte er sich ein goldenes Pincenez auf und betrachtete sich mit auffallender Seelenruhe das im Gerichtssaale herrschende

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)