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Indien, seine Revolution und sein Militair

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Indien, seine Revolution und sein Militair
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aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 452–455
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Indien, seine Revolution und sein Militair.

Malcolm Lewin, ein mit den indischen Verhältnissen sehr vertrauter Engländer, der aus langer Erfahrung in Indien die Revolution vorher verkündigte, sagt in einem kürzlich erschienenen Buche: „Grausamkeit, die Frucht feiger Furcht, wird auf uns selbst zurückprallen. Der Indier ist sehr leicht zu regieren — durch Gerechtigkeit und Güte. Das sind die Gewalten, welche Liebe und Achtung erzeugen. Deren Vorenthaltung hat unser indisches Reich erschüttert.“

An einer andern Stelle seines Buches führt er einen Indier redend ein: „Erst gestern (im vorigen April) vernahm ich den bittersten Haß gegen die Engländer in den schärfsten Ausdrücken der Verachtung und Erbitterung aus dem Munde eines der gebildetsten Hindus. Er ist ein Mann von auffallender Kraft der Intelligenz; er spricht und schreibt mehrere Sprachen mit gleicher Fertigkeit. „Das Wort des Engländers,“ sagte er, „war früher in Granit eingegraben, jetzt wird’s auf Wasser geschrieben. Als das Land noch nicht euer war, wer konnte gerechter und treuer sein seinem Worte, als ihr? Jetzt, da ihr das Land zu euren Füßen habt, ist die Maske abgeworfen. Jetzt schwör’ ich, und glaubt es mir, daß ich meinen Kopf diese Minute verlieren möchte (mit einer entsprechenden Gesticulation) wenn ich meine Landsleute aus ihrer jetzigen Lage damit erheben könnte. Es ist die Ruhe eines Leichnams, todt, entwürdigt. Ich verhehle es nicht: Wir hassen euch und ihr verdient es.“ — „Das ist,“ setzt Lewin hinzu, „die Stimmung des ganzen Landes gegen uns, und ich muß ihnen recht geben: wir verdienen es.“

In Bezug auf die Sepoys sagt er, wie schon erwähnt, vor dem Ausbruche der jetzigen Revolution: „Die Unzufriedenheit in unserer indischen Armee wird viel weniger beachtet, als sie verdient. Man wähnt, daß der indische Soldat in englischen Diensten sich so sehr von seinem Volke trennt, daß er ganz in der Treue für seinen rothen Rock aufgehe. Dieser Wahn ist nicht nur sehr leer, sondern auch sehr absurd. Die Armee ist aus Leuten aller Gegenden, Kasten, Stämme und Confessionen zusammengesetzt. Wenn dieses Band zuweilen vom Soldaten unbeachtet bleibt, verliert er es doch nicht. Er verliert nie das Ende seines Dienstes, seine Befreiung, seine Pension aus den Augen, die Zeit, wenn er zu den Seinigen, in die Hütte seiner Vorfahren zurückkehren wird. In keiner Nation sind die Bande der Blutsverwandtschaft so fest, als bei den Hindus; in keiner wurzelt die Liebe zu dem väterlichen Heerde so tief. Der Soldat und der Bürgerliche sind fest und heilig verbunden: das Einem angethane Unrecht wird gerächt von dem Andern. Unzufriedenheit und Haß gegen uns beschränken sich durchaus nicht auf das Militair und die Dienstbedingungen: es ist allgemeine, durchgehende Stimmung. Nichts als englische Eitelkeit und englische Ignoranz, von der Anhänglichkeit des Hindus zu sprechen. Unter der Herrschaft der ostindischen Compagnie ist die Lage aller Classen und Kasten hoffnungslos. Der Officier von indischer Abkunft kann es mit den höchsten Verdiensten und Talenten nie zum Range eines unabhängigen Mannes bringen: er ist und bleibt stets ein Untergeordneter des englischen Officiers. Eine plötzliche Laune englischer Willkür kann Rang, Stellung, Ehre, Pension und Zukunft abschneiden, und ihn der Schande und Bettelarmuth überweisen. Mit solchen Dienstverhältnissen ist keine Art von Anhänglichkeit vertraglich.“

So und noch mehr sagt Lewin, der viele Jahre englischer Advocat in Indien war. So sprachen und sprechen alle Engländer von Kenntniß und Erfahrung über Indien. In einem erlebten Werke über Madras weist z. B. Norton sehr scharf nach, daß „unser Beruf in Indien nichts war, als möglichst viel Geld auszuschrauben, ohne den Gemarterten nur die Fähigkeit zu lassen, ihnen auch künftig noch Geld auszuschrauben. Lewin schließt seinen „Weg zum Verluste Indiens“ mit folgenden Worten:

„Wir haben im Innern uns einen Feind erzogen, mächtiger und gefährlicher, als die Fürsten, die wir entthronten und ausplünderten. Statt der Feinde von außerhalb haben wir alle Eingebornen Indiens zu unsern Feinden. Wir haben zu kämpfen mit der Frucht und Folge der Massenarmuth und unserer verbrecherischen Verwaltung, der socialen Entwürdigung und Verwahrlosung aller Classen, mit Haß und Erbitterung, den unausbleiblichen Folgen aller brutalen Gewalt und Unterdrückung.“

Sie kämpfen jetzt gegen diese nun nicht ausgebliebenen Folgen. Wie sehen diese aus? Sechsunddreißig Regimenter — volle 36,000 Mann — im wüthendsten Aufruhr, mordend und brennend im glühendsten Wahnsinn der Rache. Engländer mit Weibern und Kindern niedergemetzelt, wo man sie fand, übermüthige, über „angeblich“ drohende Gefahren spottende Commandanten und Präsidenten in Dschungeln versteckt und durch Sumpf und Dickicht kriechend für ihr verwirktes Leben, alte indisch-heilige Flüsse voller stromabwärts getriebener Leichen, die im Wasser bewegt und geschaukelt, sich zu bewegen und zu leben scheinen — alles Englische todt oder im bleichen Zittern versteckt, oder in der um ihr Leben kämpfenden Armee Rettung suchend, 14,000 englische Soldaten nach Indien unterwegs, Birmanien, das unlängst um seine Provinz beraubte, sich aufraffend zu einem Freiheitskriege gegen die Engländer, die Afghanen, die Perser und ungekannte, England hassende Racen und Stämme Central-Asiens mit auflebender Rache gegen England. England wird, wie man ihm allgemein zutraut, die Revolution in Indien wieder morden und „Ruhe und Ordnung“ wieder herstellen. Vielleicht gelingt es ihnen auch, da Napoleon versprochen hat, sich auch in dieser Noth ihrer anzunehmen. Wir nehmen’s als ausgemacht an. Aber welch ein elender Sieg! Welch eine Verwüstung von englischen Köpfen und Capitalien, um einer patentirten, gelderpressenden Gesellschaft das alte Geschäft wieder einzurichten, das Geschäft, das schon so lange an Englands materiellem und moralischem Reichthume zehrte, um mit der nationalen Auslage von Millionen die Tausende für patentirte Privatgesellschaft zu erkaufen.


Da die Revolution bis jetzt hauptsächlich eine militairische ist, obwohl neuern Nachrichten zufolge auch die Bevölkerung anfängt, die Waffen zu ergreifen, so dürfte es unsere Leser interessiren, etwas Näheres über die militairischen Zustände dieses unglücklichen Landes zu erfahren. Die nachfolgende Mittheilung rührt nicht von unserem gewöhnlichen englischen Mitarbeiter her und ist deshalb auch in der Auffassung des Ganzen etwas anderer Meinung.

Die in Britisch-Indien befindlichen und im Sold der Compagnie stehenden Truppen zerfallen in zwei wesentlich verschiedene Theile: in königl. Truppen, welche von der Regierung dahin geschickt und der Compagnie zur Verfügung gestellt sind, und in die Truppen der Compagnie selbst, welche lediglich zu dem Dienst in Indien geworben sind, und nur dort verwendet werden.

Die königlichen Truppen bestehen regelmäßig aus 20 Regimentern Infanterie und 4 Regimentern Cavallerie, zusammen etwa 30,000 Mann. (Dabei sind vier Regimenter Fußvolk, welche in Ceylon stehen, nicht gerechnet). Diese königl. Truppen bilden den eigentlichen Kern des Heeres, eine Art von Garde; sie werden im gewöhnlichen Dienst und auf Märschen außerordentlich geschont, dagegen vor dem Feind als Stütze und zu den entscheidenden Schlägen verwendet. Es ist viele Eifersucht von Seiten der Generale der Compagnie gegen die königlichen mit den Truppen geschickten Führer, weil diese ihnen bei gleichem Rang im Befehl vorgehen, und überdies, der Meinung der ersteren nach, auf ungerechte Weise begünstigt werden.

Die eigene Streitmacht der Compagnie zerfällt in drei ganz getrennte Heere (Establishments): das von Bengalen, das von Madras und das von Bombay. Jedes derselben hat an dem

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Indische Sepoy’s.

Sitz der betreffenden Präsidentschaft ein eigenes, in verschiedene Abtheilungen zerfallendes Kriegsministerium und einen eigenen Oberbefehlshaber, jedoch so, daß der in Bengalen befehligende an der Spitze des gesammten Heerwesens steht. Die früher sehr bedeutend gewesenen Verschiedenheiten in der Einrichtung, Ausbildung und Bezahlung dieser drei Heere sind allmählich ziemlich ausgeglichen worden, in allen ist immer noch genug übrig geblieben, um Unzuträglichkeiten bei dem Zusammendienen von Truppen aus verschiedenen Heeren herbeizuführen. Der Grund dieser, offenbar an sich widersinnigen, Einrichtung ist lediglich ein geschichtlicher, indem bei den ersten Anfängen der englischen Herrschaft die drei Präsidentschaften vollkommen getrennt waren, und somit jede auch ihre eigene bewaffnete Macht hatte, und diese nach ihrem Gutfinden einrichtete.

Die Truppen der Compagnie bestehen theils aus Europäern, theils, und zwar in größter Mehrheit, aus Eingebornen. Europäer sind vor allem die sämmtlichen Officiere bei den regelmäßigen Truppen jeder Art und Nationalität. Bei diesen kann es der Eingeborne niemals zum Officier bringen, sondern es besteht nur ein höher heraufgehendes Unterofficiercorps, dessen oberste Chargen aber dem jüngsten europäischen Fähndrich nachstehen. Nur bei den Unregelmäßigen und Hülfstruppen (von welchen sogleich weiter unten) stehen Eingeborne noch als Officiere, indem diesen Regimentern nur je zwei bis drei europäische Officiere beigegeben sind. Zweitens bestehen aus Europäern in jeder der drei Präsidentschaften je drei Infanterieregimenter, jedes zu zwölf Compagnien, also von doppelter Stärke der gewöhnlichen englischen Regimenter. Diese werden in England von der Compagnie geworben und gehören nicht zum königlichen Heer. Endlich ist die Artillerie zur stärkeren Hälfte europäisch, und zwar so, daß die Europäer und die Eingebornen getrennte reitende Batterien und Fußbatterien bilden.

Die Eingebornen bilden, wie gesagt, die übergroße Mehrzahl des Heeres, nämlich Unterofficiere und Soldaten bei den regelmäßigen Cavallerie- und Infanterieregimentern (Sepoys – eine englische Corruptel des persischen Sipahi, d. h. Reiter, was das türkische Spahi noch bedeutet. Sipahi heißt jetzt Soldat überhaupt. Das Wort ist wahrscheinlich durch die persischen Eroberungszüge in die neueren indischen Sprachen gedrungen) und bei einem Theil der Artillerie; Officiere und Mannschaft aber bei den unregelmäßigen und den verschiedenen Arten von Hülfstruppen. Die [454] Mannschaft der regelmäßigen Regimenter zu Fuß und zu Pferd wird durch Werbung zusammengebracht, und gehört allen Stämmen und Religionen Indiens an. Da einerseits der Sold, nach Landesart bemessen, sehr gut ist, und überdieß nach langer und treuer Dienstzeit eine ganz anständige Pension gegeben wird, andererseits aber dem Eingebornen je länger je weniger Möglichkeit bleibt, bei einheimischen Fürsten in Kriegsdienst zu treten, so haben die Engländer die Auswahl unter der kriegslustigen Mannschaft des Landes. Sowohl der größern Zuverlässigkeit der Leute, als des allgemeinen Ansehens des Heeres wegen sucht man jedoch so viel als möglich nur Männer aus den höheren Kasten und Ständen anzuwerben, und es dienen in den Reihen der Sepoys sowohl Brahmanen und Leute vom Kriegeradel, als Muhamedaner von guter Familie. Die regelmäßigen einheimischen Truppen sind vollkommen auf europäische Art eingerichtet und eingeübt, doch erfordert ihre Behandlung große Umsicht und genaue Kenntniß der Sitten. Während der Eingeborne im Allgemeinen außerordentlich folgsam und geduldig ist, darf eine Verletzung namentlich seiner religiösen Gewohnheiten und Vorurtheile nicht stattfinden, bei Gefahr höchst gefährlichen Aufruhrs oder einzelner Rachehandlungen. Auch macht es natürlich viele Schwierigkeiten, daß die Sepoys sämmtlich verheirathet sind und daß ein Mann aus einer höheren Kaste nur mit seines Gleichen speist, oder das von einem solchen Bereitete ißt.

Die Stärke des indischen Heeres ist nicht immer dieselbe. Abgesehen von der Vermehrung, welche durch die Erwerbung neuer Gebiete oder durch Verträge mit einheimischen Fürsten von Zeit zu Zeit hervorgerufen wird, und wodurch namentlich die Zahl der unregelmäßigen und der Hülfsregimenter immer wächst, wird die Mannschaft in den regelmäßigen einheimischen Regimentern nach Bedürfniß vermehrt oder vermindert. Die Art und die Zahl ist nun nachstehende:

Das Heer von Bengalen besteht, außer den drei oben erwähnten europäischen Regimentern zu Fuß, aus 10 regelmäßigen Reiterregimentern, jedes zu 6 Compagnien (troops) oder 3 Schwadronen; aus 74 Regimentern regulären Fußvolks, zu 6 Compagnien, aus 3 Brigaden reitender und 9 Batterien Fußartillerie (von welchen 9 Compagnien der reitenden Artillerie Europäer und 4 Compagnien Eingeborne sind, von der Fußartillerie aber 24 Compagnien Europäer und 18 Compagnien Eingeborne); aus einem Ingenieurcorps von 125 Officieren und 8 Companien Sappeurs. Außerdem aber werden zu dem bengalischen Heer noch weiter gerechnet: 30 Regimenter unregelmäßige Reiterei[1]; 50 Regimenter oder Bataillone Fußvolk von Hülfstruppen und Unregelmäßigen aller Art; endlich noch 5 Legionen und Contingente, welche aus allen drei Waffengattungen zusammengesetzt sind. Die europäischen Officiere bestehen bei einem regelmäßigen Reiterregiment aus 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, 1 Major, 6 Rittmeistern, 8 Lieutenants, 4 Cornets und einem Mittelstab; bei einem regelmäßigen Fußregiment aus 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, 1 Major, 6 Hauptleuten, 10 Lieutenants, 5 Fähndrichen und dem Mittelstab; bei der Artillerie im Ganzen aus 12 Obersten, 12 Oberstlieutenants, 12 Majors, 72 Hauptleuten, 132 Oberlieutenants und 60 Lieutenants, außerdem aus einem Mittelstab von 49 Köpfen. Bei den unregelmäßigen Truppen ist die Zahl der europäischen Offfciere sehr viel kleiner, und sie besteht in der Regel nur aus 3 Subalternofficieren, von welchen einer den Befehl hat und einer Adjutant ist, und 1 Arzt. Die dem bengalischen Heer zugetheilte Generalität besteht aus 8 Generalen, 27 Generallieutenants und 28 Generalmajors, von welchen aber nur 10 wirklich in Indien im Dienst sind, die übrigen sich in Europa im Urlaub befinden.

Das Heer von Madras besteht, neben ebenfalls drei europäischen Regimentern zu Fuß, aus 8 Regimentern regelmäßiger Reiterei, 52 Regimentern regelmäßigen Fußvolks, 1 Brigade reitender Artillerie, von 4 europäischen und 2 einheimischen Compagnien, und 5 Bataillonen Fußartillerie, zusammen mit 16 Compagnien Europäer und 6 Compagnien Eingeborner, im Ganzen aber mit 7 Obersten, 7 Oberstlieutenants, 42 Hauptleuten, 70 Oberlieutenants, 35 Lieutenants und 29 Officieren des Mittelstabs; endlich aus einem Ingenieurcorps von 75 Officieren und 12 Compagnien Sappeurs. Die Generalität besteht aus 12 Generalen, 17 Generallieutenants, 14 Generalmajors, von welchen jedoch nur 4 in militairischen und 4 in Civildiensten in Indien stehen. Die Officiercorps bei den Regimentern sind dieselben wie in dem bengalischen Heer; unregelmäßige Truppen sind dem Heer von Madras keine zugetheilt.

Das Heer von Bombay besteht, neben den drei Fußregimentern Europäer, aus 3 regelmäßigen Reiterregimentern, 29 regelmäßigen Regimentern Fußvolk, 1 Brigade reitender Artillerie von 4 europäischen Compagnien und 4 Bataillonen Fußartillerie, zusammen mit 8 Compagnien Europäer und 12 Compagnien Eingeborner, im Ganzen aber mit 5 Obersten, 5 Oberstlieutenants, 5 Majoren, 25 Hauptleuten, 50 Oberlieutenants, 25 Lieutenants und 15 Mann Mittelstab, 2 Compagnien Sappeuren und 75 Ingenieurofficieren. Außerdem sind diesem Heere zugetheilt 5 verschiedene unregelmäßige Reitercorps, 1 Marinebataillon und 4 unregelmäßige Bataillone. Die Generalität besteht hier aus 5 Generalen, 13 Generallieutenants und 8 Generalmajors, welche aber sämmtlich im Urlaub sind.

Bei den Truppen der Compagnie ist der Stellenkauf nicht bekannt; das Vorrücken erfolgt, wie in den Armeen der übrigen civilisirten Welt, nach dem Dienstalter und dem Verdienst. Die Zahl der bei den Regimentern wirklich anwesenden Officiere ist durchweg eine viel kleinere als die etatsmäßige, und kann im Durchschnitt höchstens auf zwei Dritttheile der letzteren angenommen werden. Nicht nur sind die Obersten kaum je beim Regiment, indem sie, nach englischer Art, gewöhnlich Generale sind, und als solche dienen oder sich im Urlaub befinden: sondern auch von den übrigen Staats- und Subalternofficieren ist immer eine Anzahl vom Regiment abwesend. Theils sind auch sie beurlaubt nach Europa oder auf Gesundheitsstationen; theils aber werden sie vielfach anderwärts im Dienst verwendet. Das zahlreiche Personal der drei obersten Kriegsverwaltungen, die Adjutantur, vielfache diplomatische oder sonstige politische Beamte bei den einheimischen oder andern asiatischen Höfen, endlich noch gar manche rein bürgerliche Staatsdiener sind Officiere von der Linie, welche in ihren Regimentern bleiben, um vorzurücken und nöthigenfalls in dieselben zurückzutreten. Gerade aus diesen Officieren geht ein großer Theil der vortrefflichen Staatsmänner und Gelehrten der Engländer im Osten hervor. Bei der weiten Entfernung vom Hause und bei der großen Unzuträglichkeit des Klima’s für Europäer, muß die ostindische Compagnie natürlich bedeutende Vortheile bieten, um ein wenigstens 4000 Köpfe zählendes Officiercorps zu gewinnen und vollzählig zu erhalten, und dies vermag sie nur durch gute Bezahlung während des Dienstes, durch Bewilligung großer Urlaubszeiten und durch genügenden Ruhegehalt nach einer nicht allzulangen Dienstzeit. Diese Mittel sind denn nun auch angewendet. Die Bezahlung des indischen Heeres ist, verglichen mit dem europäischen Maßstab, sehr groß, obschon nicht übermäßig, wenn man die Bedürfnisse eines Europäers in Indien und seine gesellschaftliche Stellung in Anschlag bringt. So hat z. B. bei den reitenden Waffen ein Oberst etwa 21,500 fl. rheinisch jährlich, theils an Sold, theils an Zulage verschiedener Art; ein Rittmeister etwa 7500 fl.; ein Cornet über 4000 fl.; bei dem Fußvolk aber ein Oberst über 18,000 fl., ein Hauptmann etwa 5500 fl., ein Fähndrich 2600 fl. Fußartillerie und Geniecorps stehen in der Mitte zwischen beiden. Das Urlaubssystem ist sehr verwickelt; ohne allzu weitläufig zu sein, kann hier nur folgendes bemerkt werden: jeder Officier hat ein Recht auf Urlaub nach Europa, auch ohne daß er durch den Stand seiner Gesundheit dazu genöthigt wäre, und ohne daß die Abwesenheit ihm in seiner Dienststellung, z. B. im Vorrücken oder in der Berechnung der Dienstjahre, schadete – dies jedoch natürlich unter bestimmten Bedingungen und Beschränkungen. So muß z. B. ein Officier 10 Jahre in Indien gedient haben (Krankheitsfälle abgerechnet), ehe er ein Recht auf Urlaub hat. Die Dauer des Urlaubs von da an ist 3 Jahre; nach 20 Dienstjahren 2 weitere Jahre; eine Verlängerung kann von der Direction der Compagnie gewährt werden. Während des Urlaubs erhält der Officier eine hierfür ausgeworfene Bezahlung, welche zwar allerdings das Einkommen in Indien lange nicht erreicht, aber doch immerhin beträchtlich genug ist.

[455] Es erhält z. B. ein Oberst von der Reiterei 1 Pf. St. 12 Sh. 8 D.; bei dem Fußvolk 1 Pf. St. 5 Sh.; ein Hauptmann bei der Reiterei 14 Sh. 7 D.; bei dem Fußvolk 10 Sh. täglich. Nur wenn in 20 Dienstjahren mehr als 2 Jahre, in 25 Dienstjahren mehr als 3 Jahre, in 30 Dienstjahren mehr als 4 Jahre Urlaub genommen worden sind, wird der Ueberschuß an der Pensionszeit abgerechnet. Was endlich die Pension betrifft, so werden nicht nur solche Officiere, welche ihre Gesundheit in Indien verloren haben, je nach der Dienstzeit und Rang, mit Ruhegehalten bedacht, sondern es hat überhaupt ein Jeder das Recht, sich nach 22 Dienstjahren in Indien, unter welchen 3 Urlaubsjahre sein dürfen, mit dem vollen lebenslänglichen Gehalt seiner Stelle zurückziehen, wobei aber natürlich nur der Sold, nicht auch die Zulagen der verschiedenen Art berechnet werden.

Der Eintritt in den Dienst der Compagnie ist jetzt nicht mehr eine bloße Sache der Begünstigung, sondern muß durch Nachweis der Befähigung erreicht werden. Es sind aber zwei Wege dazu offen: entweder Eintritt in die Cadettenschule zu Addiscombe. in welcher der junge Mensch gegen eine Vergütung von 100 Pfund jährlich zwei Jahre lang bleiben kann, und dann, je nach dem Erfolg der Prüfung, in die begünstigteren Waffen oder in den gewöhnlichen Dienst eintritt, oder aber die Erstehung einer, freilich nicht sehr schwierigen, Prüfung ohne vorherigen Aufenthalt in der Anstalt. Nach L. v. Orlich bestand im Jahre 1843 die ganze reguläre indobritische Armee aus 264,100 Mann, unter 820 britischen Stabs- und 5500 Subalternofficieren, ungerechnet ungefähr 300,000 Mann, welche mit Luntenflinten, Schwertern und Schilden bewaffnet sind, und der Finanz-, Polizei- und Justizverwaltung dienen. Seit jener Zeit sind aber nach Einverleibung des Pendschab mehrere Sikh-Regimenter hinzugekommen, desgleichen einige Regimenter von dem Gebirgsstamme der Gurkas.



  1. Die irregular horse der indischen Armee sind disciplinirte und organisirte Regimenter, gleich den übrigen der Armee. Ihre Namen haben sie lediglich davon, daß sie die Kleidung der Eingebornen tragen. Es ist (heißt es in einem Artikel des „Preuß. Wochenblattes“) Thatsache, daß die irreguläre Cavallerie besser ist als die reguläre. Die Ausrüstung und Bewaffnung trägt einiges dazu bei: der einheimische Tulwar soll besser sein, als der britische Säbel; auch können sich die Eingebornen weder mit den europäischen Satteln, noch mit den langgeschnallten Steigbügeln befreunden: sie sind gewohnt, beim Kampfe in den Bügeln zu stehen. Den irregulären Truppen hat man ihre Sitte gelassen.