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Die schwarzen Cabinete

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Titel: Die schwarzen Cabinete
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die schwarzen Cabinete.

Der zwölfte Paragraph der deutschen Grundrechte verfügt: „Das Briefgeheimniß ist gewährleistet.“ Eine Bestimmung gleichen Inhaltes findet sich in allen Verfassungen deutscher Staaten. Auf den ersten Blick hat es etwas Befremdendes, daß man den einfachsten und natürlichsten aller Grundsätze, anvertrautes Gut dürfe nicht angetastet werden, in Staatsgrundgesetzen noch besonders anerkannt und seine Beobachtung gewissermaßen feierlich angelobt hat. Die Geschichte erklärt uns aber zur Genüge, weshalb das geschehen ist. Jahrhunderte lang hat sich die Polizei das Recht angemaßt, die der Post übergebenen Briefe zu öffnen und zu lesen, ja selbst in unserer Zeit hat dieser abscheuliche Mißbrauch nicht ganz aufgehört. 1844 ist es durch Parlamentsverhandlungen, die Mazzini durch öffentliche Anklagen hervorgerufen hatte, an den Tag gekommen, daß Sir James Graham zur Zeit der Landung der beiden Bandiera in Calabrien die nach Italien gehenden Briefe vom englischen Generalpostamt erbrechen ließ, und noch jüngst, als England mit der Union wegen der Trent-Angelegenheit in Streit gerieth, hat das englische Colonialamt die für die amerikanische Westküste bestimmten Depeschen, die immer über die centralamerikanische Landenge befördert wurden, sechs Wochen lang zurückgehalten, weil man der nordamerikanischen Gesellschaft der Panama-Bahn zutraute, daß sie diese Depeschen öffnen werde.

Wie es scheint, ist die Verletzung des Briefgeheimnisses so alt wie die Post. 1543 richtete Leonhard von Thurn und Taxis die erste eigentlich deutsche Linie ein, und vier Jahre später, im schmalkaldischen Kriege, erfuhr Karl V. durch seinen Postmeister die wichtigsten Geheimnisse seiner protestantischen Gegner. Von den Habsburgern mit Reichthümern und Ehren überschüttet, zu Grafen und Fürsten des Reiches erhoben, stellten die Thurn und Taxis ihre Beförderungsanstalt der kaiserlichen Politik zur Verfügung. Unter Rudolph II. führte Lazarus Schwendi, der am Hof beliebteste Feldherr Oesterreichs, bittere Klage, daß der Postmeister Viechhauser seine Briefe erbreche oder zurückhalte. Als Ferdinand II. die Fürsten Paar mit der Post in seinen Erblanden belehnte, wurde ein Taxis’scher Beamter nach Wien berufen, um den politischen Theil der Postverwaltung zu übernehmen. Da der geheime Postdienst außer einer großen Gewandtheit eine eben so große Verschwiegenheit erforderte, so nahm man die dabei beschäftigten Beamten gern aus Familien, welche bereits ihre Proben abgelegt hatten. Häufig vererbte sich das schimpfliche Amt durch Menschenalter vom Vater auf den Sohn. Die jungen Leute wurden frühzeitig in das Geheimniß eingeweiht, wie man Briefe erbrechen und wieder versiegeln könne, ohne daß der Empfänger das Geringste merke. Die Familie Eberl wurde, immer in derselben Post, zu Stockerau an der Donau, nahe bei Wien, von Rudolph II. bis auf Joseph II., in dieser Weise beschäftigt. Lucas Eberl wurde wegen der Dienste, die er als Courier geleistet hatte, in den Adelstand erhoben und zum Postdircetor einer Provinz ernannt. Ein anderes Mitglied der Familie, der Kürassier-Rittmeister v. Eberl, machte seinen Namen auf eine ruhmvollere Weise bekannt. Bei der letzten Belagerung Wiens durch die Türken führte er Sobiesky’s Polen und die deutschen Reichstruppen durch den Wiener Wald an die Stelle, wo Franz von Lothringen lagerte.

Das in so vieler Beziehung verderbliche Beispiel Ludwig’s XIV. wirkte auch bei der Behandlung der Briefe auf Deutschland ein. In seinem Alter wollte der französische Monarch, den die Maintenon scharf im Zügel hielt, wenigstens von fremden Liebschaften eine Unterhaltung haben. Seine Polizei berichtete ihm fortwährend über die Intriguen, die eben im Gange waren, und schöpfte ihre Geheimnisse aus den Briefen, die man auf der Post öffnete. Das Verfahren wurde nun in ein System gebracht, welches bald genug in Deutschland Nachahmung fand. In allen Hauptstädten und allen wichtigen Verbindungspunkten wurden „Brieflogen“ errichtet. So lautete der ältere Name für die schwarzen Cabinete. Die bedeutendsten derselben arbeiteten in Regensburg, Augsburg, Nürnberg, Eisenach, Bremen, Hamburg und Mainz. Um galante Geheimnisse kümmerten sich diese Brieferbrechungs-Anstalten nicht, ihnen kam es auf Staatsgeheimnisse an, auf den Briefwechsel von Diplomaten und unbekannten politischen Agenten, welche letzteren zu ermitteln eine Hauptaufgabe der Brieflogen war, da ihre Existenz nicht so geheim war, daß man nicht wichtige Briefe an unverdächtige Adressen hätte abgehen lassen.

In Wien war ein Flügel des kaiserlichen Schlosses, die sog. Stallburg, für das schwarze Cabinet eingerichtet. Jeden Abend um sieben Uhr wurde die Post geschlossen, und die Wagen fuhren ab, scheinbar nach dem Orte ihrer Bestimmung. Sie begaben sich aber in den Hof der Stallburg, dessen Thor sich sogleich hinter ihnen schloß. Hier wurden die Briefbeutel geöffnet, die Briefe sortirt und alle die bei Seite gelegt, von deren Inhalt man Kenntniß nehmen wollte. Zu diesen gehörten regelmäßig alle Briefe, die an Gesandte, Bankiers und andere einflußreiche Männer gerichtet, oder von ihnen geschrieben waren. Der letztere Umstand ließ sich leicht ermitteln, da man die Handschrift jeder Person kannte, die in dem Hause eines Mannes dieser Art wohnte. Die für das Ausland bestimmten Briefe erregten stets eine besondere Aufmerksamkeit. Das schwarze Cabinet war zugleich Werkstatt und chemisches Laboratorium. Man hatte dort Siegellack aller Art, eine Masse von Petschaften, Werkzeug zum Ablösen der Siegel und Agentien, welche theils diese Operation unterstützten, theils zu Fälschungen der Briefe selbst dienten. Besaß man das Petschaft des Absenders, so ging die Sache rasch, mußte man das Siegel vorsichtig ablösen und wieder aufkleben, so verlor man viele Zeit. In der Regel wurde die Briefpost bis elf Uhr Nachts in der Stallburg aufgehalten, es geschah aber auch nicht selten, daß sie sich erst um ein Uhr Morgens in vollem Galopp entfernen konnte. Von den erbrochenen Briefen machte man Auszüge oder nahm auch ganze Abschriften. Die geheime Polizei, der diese Resultate der lichtscheuen Thätigkeit übermittelt wurden, ertheilte zuweilen weitere Weisungen. Dann wurden von Beamten, welche Handschriften nachzuahmen verstanden, falsche Briefe geschmiedet und heimtückische Fragen gestellt oder verderbliche Rathschläge ertheilt.

In der Stallburg arbeiteten besonders Franzosen und Neapolitaner, deren überlegene Geschicklichkeit man schätzen gelernt hatte. Ihr Handwerk spannte den Geist so an und erforderte eine solche Sorgfalt und Geschwindigkeit, daß mehrere den Verstand verloren. Man bezahlte sie so gut, daß sie mit ihren Familien in Ueberfluß lebten, aber ihr Leben war doch, von seiner Ehrlosigkeit abgesehen, ein überaus trauriges. Sie waren mehr Staatsgefangene als Beamte. Die Polizei verlor sie niemals aus den Augen und wußte auf’s Genaueste, wie viel jeder von ihnen ausgebe, welche Erholungen er sich gestatte, mit wem er verwandt sei, welche Häuser er besuche, wer zu ihm und seiner Familie komme. In der spätern Zeit zwang man diese Leute, blos mit Beamten der Kanzlei und des kaiserlichen Cabinets zu verkehren. Wollten sich Fremde oder wohl diplomatische Agenten zu dieser geschlossenen Gesellschaft gesellen, so wurden sie auf eine so brutale Art abgewiesen, daß sie nicht zum zweiten Male kamen. Jeden Morgen fand der Polizeidirector auf seinem Arbeitstische einen Bericht, den er blos zu öffnen brauchte, um zu wissen, wie jeder einzelne Beamte des schwarzen Cabinets den vorigen Tag verlebt habe.

Fürst Kaunitz machte von der Anstalt in der Stallburg den ausgedehntesten Gebrauch. Um Alles auf’s Beste einzurichten, hatte er sich von der geheimen Polizei Ludwig’s XIV. Belehrung erbeten und sie bereitwilligst erhalten. Der Polizeilieutenant Lauvin hatte für ihn eine Denkschrift entworfen mit dem Titel: Näheres über einzelne Anstalten der Stadt Paris. Der preußischen Politik gegenüber glaubte der Fürst mit dem schwarzen Cabinet allein nicht auskommen zu können und wandte noch ein anderes Mittel an. Alle preußischen Couriere mit Ausnahme von zweien ließen sich von ihm bestechen. Diese ungetreuen Boten erhielten bedeutende Summen, so daß sie sorgenfrei leben konnten, wenn man Verdacht gegen sie schöpfte und sie entfernte. Friedrich der Große hat aber nie entdeckt, daß Fürst Kaunitz alle seine Depeschen an seinen Gesandten in Wien früher las als dieser. Die Sache nahm immer folgenden Verlauf. Hinter Pirna war an der böhmischen Grenze in einer einsamen Gegend ein Haus erbaut und seinem Zwecke entsprechend eingerichtet worden. Es wurde von Vertrauten bewohnt, öffnete sich nur für Menschen desselben Schlags und war reichlich mit Pferden und Wagen versehen. Erschien einer der bestochenen preußischen Couriere, so stiegen Beamte mit ihm in einen Wagen des Hauses, öffneten sein Felleisen, erbrachen die Depeschen, entzifferten [632] den Inhalt mit Hülfe des Schlüssels, den sie zu der preußischen Geheimschrift besaßen, und nahmen eine Abschrift. War das geschehen, so wurde die Depesche wieder versiegelt und das Felleisen geschlossen. Das ganze Geschäft wurde auf dem Wege nach Wien besorgt, während der Wagen im raschesten Fahren blieb und nur an gewissen Stellen, wo die Pferde gewechselt wurden, auf wenige Minuten Halt machte. Auf der letzten Station vor Wien stieg der Courier wieder zu Pferde und überbrachte seine Depeschen, deren Abschriften Fürst Kaunitz bereits seit drei bis vier Stunden in Händen hatte.

Wie die Taxis’sche Post seine Depeschen behandle, erfuhr Friedrich der Große 1772, als sein Briefwechsel mit seinem Gesandten in Mainz über die polnischen und türkischen Angelegenheiten von einem höheren Beamten des Kurfürsten benutzt wurde. Dieser Gesandte, v. Dietz, erfuhr davon und machte einen gewaltigen Lärm. Dies war einer der Vorgänge, durch die öffentlich bekannt wurde, daß die Reichspost das Briefgeheimniß verletze. Uebrigens war Friedrich der Große, wenn er gleich kein schwarzes Cabinet besaß, in der Wahl seiner Mittel auch nicht zartfühlend. In Dresden hatte schon August der Starke Post und geheime Polizei mit einander in Verbindung gebracht, und unter der Verwaltung des Grafen Brühl war man darin noch weiter vorgegangen. Friedrich der Große zahlte dem sächsischen Hof mit gleicher Münze, indem er den Kanzlisten Menzel bestechen ließ, ihm den geheimen Briefwechsel auszuliefern, der zwischen Sachsen, Oesterreich, Frankreich und Rußland über die Vorbereitungen zum Kriege gegen Preußen geführt wurde. Auch in den Besitz der Geheimnisse des Wiener Hofs wußte sich der große König zu setzen. Von Zeit zu Zeit gingen nach Wien junge Preußen, ausgerüstet mit den Eigenschaften, welche das weibliche Herz und Auge zu bestechen pflegen. Man wußte in Berlin, daß die Kaiserin Marie Theresia immer einige bevorzugte Damen um sich habe, gegen die sie die wichtigsten Dinge unwillkürlich ausplaudere. Diese Damen hatten ihrerseits wieder bevorzugte Kammermädchen, die von ihnen mancherlei erfuhren. Die jungen Preußen hatten den Auftrag, solche Zofen zu gewinnen und ihnen ihre politischen Geheimnisse zu entlocken. Jeder von ihnen hatte eine feste Besoldung von fünfhundert Thalern und erhielt außerdem alle Ausgaben vergütet, die ihm seine Liebschaft verursachte. Erfuhr er etwas Wichtiges, so meldete er es nach Berlin und ließ den Brief auf einem sichern Wege abgehen. Nach dem Zeugniß eines preußischen Diplomaten brachten diese Agenten eigener Art großen Nutzen. „Ein hübscher Bursche,“ schrieb er dem Ritter von Zimmermann, „der die Kunst, mit Kammerjungfern umzugehen, aus dem Grunde verstand, erfuhr manchmal Dinge, die dem gesammten diplomatischen Körper verborgen blieben. Ich habe eine Menge Berichte solcher Art gelesen, die wirklich ausgezeichnet waren.“

Joseph II. fand das schwarze Cabinet in der Stallburg vor und schaffte es nicht ab. Er glaubte es zu seinen guten und edlen Zwecken benutzen zu dürfen. Unter seinen Nachfolgern kam es wieder auf die alte Weise in Thätigkeit und brachte Manchen in’s Unglück, der durch einige unvorsichtige Ausdrücke oder eine Prahlerei den Verdacht erweckt hatte, daß er zu den österreichischen Jacobinern gehöre. Während der ersten Besetzung Wiens durch die Franzosen (November 1805 bis Januar 1806) machte Talleyrand der geheimnißvollen Werkstatt in der Stallburg mehrere Besuche. Die Gräfin Rombeck, eine Schwester des Kanzlers Kobenzl, machte seine Führerin. Es ist kaum anzunehmen, daß er in der Stallburg etwas Neues erfahren habe. Von Allem, was Napoleon aus der alten Zeit erblich überkommen hatte, hat er sich nichts so vollkommen angeeignet, als die Schliche und Kunstgriffe der geheimen Polizei, und seine Fouché und Savary waren die Leute dazu, das Ueberlieferte weiter auszubilden. Aber auch mehrere deutsche Fürsten haben das schmachvolle Brieferbrechungssystem, das während der Rheinbundszeit in allen Hauptorten der Vasallenstaaten herrschte, beibehalten.

Die Stallburg gelangte nach 1814 zu einer zweiten Blüthe. Mißtrauen gegen sich selbst und gegen alle Menschen war der vorherrschende Charakterzug des Kaisers Franz. Er traute blos Schurken, von denen er genug wußte, um sie jeden Augenblick auf’s Zuchthaus schicken zu können. Gerade diese Menschen, die nach seiner Meinung gar nicht wagen durften, ihn zu betrügen, verleumdeten bei ihm seine treuesten Anhänger und seine nächsten Blutsverwandten. Erzherzog Johann verlor das Vertrauen des Kaisers für alle Zeit, weil einer dieser Zuträger dem Letzteren vorgeschwindelt hatte, daß sein volksbeliebter Bruder Alpenkönig werden, aus österreichischen Erblanden ein Königreich Rhätien bilden wolle. Diese mißtrauische Gesinnung mußte dem „guten Franz“ das schwarze Cabinet lieb und theuer machen. Jeden Morgen hörte der Kaiser zuerst eine Messe. Um sieben Uhr trat er in sein Arbeitszimmer und ließ es sein erstes Geschäft sein, den bereitliegenden Bericht der geheimen Polizei zu lesen, in dem zugleich die Ausbeute der vortägigen Arbeit des schwarzen Cabinets enthalten war. In der stillen Zeit der Restauration waren es meistens Klatschereien oder Liebeshändel, die er fand, und dieser Unterhaltungsstoff sagte ihm besonders zu. Um solcher Dinge willen konnte er die ganze geheime Thätigkeit in Bewegung setzen, damit sie ihm ausführlichere Nachrichten verschaffe. Es kam sogar vor, daß er sich persönlich genau unterrichten wollte und zu diesem Behuf mit einem Agenten an einem dritten Orte eine Zusammenkunft hielt.

Von der hohen Politik wurden die schwarzen Cabinete besonders gegen die Italiener benutzt. Die Carbonaria mit ihrer erwiesenen Ausbreitung nach Frankreich, Belgien, Spanien und Portugal, und mit ihrer gemuthmaßten Ausbreitung nach Deutschland hatte der heiligen Allianz einen gewaltigen Schreck verursacht. Man hielt den Geheimbund für um so gefährlicher, als man auf Spuren gekommen war, nach denen er mit den Freimaurerlogen der romanischen Länder in Beziehungen getreten zu sein schien. Diesem Ungeheuer den Garaus zu machen, benutzte man jedes Mittel, barbarische Strafgesetze in Rom und Modena, die Bildung der reaktionären Geheimbünde der Calderari und Sanfedisten, das Einschmuggeln falscher Brüder in die Freimaurerlogen, endlich die Thätigkeit der schwarzen Cabinete. Die französische Regierung lieh ihre besten Leute her, die in Mailand, Venedig, Turin, Lucca, Ferrara, Padua, Florenz, Neapel und Rom an’s Werk gingen. Auch in Deutschland sollen in jenen Tagen der Demagogenriecherei schwarze Cabinete neu eingerichtet worden sein und zwei derselben, das eine in Frankfurt am Main, das zweite in Eisenach, „mit Auszeichnung“ gearbeitet haben.

Ueber 1830 hinaus läßt sich diese geheime und schimpfliche Thätigkeit nicht verfolgen. Wir glauben nicht, daß jeder Polizei in allen Fällen das Briefgeheimniß heilig sein werde, aber wir glauben ebensowenig, daß irgendwo in Culturstaaten noch ein förmliches schwarzes Cabinet bestehe. Solche Anstalten sind ungeheuer kostspielig, und es würde sich für sie kaum noch ein sicheres Versteck ermitteln lassen. Findet eine Ausnahme statt, so muß man sie westlich vom Rhein suchen, wo die bestverschlossenen Briefe nicht immer verhindert haben sollen, daß Jemand als Correspondent einer verpönten Zeitung „errathen“ worden ist. Gegen regelmäßige Brieferbrechungen ist die riesige Zunahme des Briefverkehrs ein sicheres Schutzmittel. Nach den amtlichen Verdeutlichungen sind innerhalb des deutschen Postvereins im Jahre 1860 an frankirten und unfrankirten gewöhnlichen Briefen und an recommandirten Briefen zweihundertundneun Millionen Stück befördert. Die Zumuthung, den auf eine Hauptpost fallenden Theil dieses Briefbergs zu sortiren und nach Vorschrift weiter zu verfahren, würde dem geübtesten und flinksten Brieferbrecher der guten alten Zeit den Angstschweiß auspressen. Wollte er sich auf die Briefe von und nach dem Ausland beschränken, so hätte er noch immer zweiundzwanzig Millionen vor sich. Diese Zahlen haben sich seit 1860 mit jedem Jahre vermehrt.

Was früher das Briefgeheimniß als frommer Wunsch war, das ist jetzt das Telegraphengeheimniß geworden. Die Natur der Sache bringt es mit sich, daß die Telegraphenbeamten den Inhalt der nichtchiffrirten Depeschen erfahren. Sie lesen alle Briefe, ehe sie sie weiter befördern. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, aber berühmte Processe haben den Beweis geliefert, daß diese amtliche Verpflichtung nicht hinreicht. Wohl immer wird das Briefgeheinmiß verletzt, um einem Dritten, der dafür gut bezahlt, durch Mittheilung einer Nachricht einen Vortheil zu verschaffen. Um diesem Mißbrauch zu steuern, ist ein Gesetz erforderlich, welches den Staat, falls der Beamte selbst vermögenslos ist, zum vollen Ersatz alles entstandenen Schadens anhält.