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61.
Das Bürle.

Es war ein Dorf, darin saßen lauter reiche Bauern und nur ein armer, den nannten sie das Bürle (Bäuerlein). Er hatte nicht einmal eine Kuh und noch weniger Geld eine zu kaufen: und er und seine Frau hätten so gern eine gehabt. Einmal sprach er zu ihr „hör, ich habe einen guten Gedanken, da ist unser Gevatter Schreiner, der soll uns ein Kalb aus Holz machen und braun anstreichen, daß es wie ein anderes aussieht, mit der Zeit wirds wohl groß und gibt eine Kuh.“ Der Frau gefiel das auch, und der Gevatter Schreiner zimmerte und hobelte das Kalb zurecht, strich es an, wie sichs gehörte, und machte es so, daß es den Kopf herab senkte, als fräße es.

Wie die Kühe des andern Morgens ausgetrieben wurden, rief das Bürle den Hirt herein und sprach „seht, da hab ich ein Kälbchen, aber es ist noch klein und muß noch getragen werden.“ Der Hirt sagte „schon gut,“ nahms in seinen Arm, trugs hinaus auf die Weide und stellte es ins Gras. Das Kälbchen blieb da immer stehen wie eins das frißt, und der Hirt sprach „das wird bald selber laufen, guck einer was es schon frißt!“ Abends als er die Herde wieder heim treiben wollte, sprach er zu dem Kalb „kannst du da stehen und dich satt fressen, so kannst du auch auf deinen vier Beinen gehen, ich mag dich nicht wieder auf dem Arm heim schleppen.“ Das Bürle stand aber vor der Hausthüre und wartete auf sein Kälbchen: als nun der Kuhhirt durchs Dorf trieb, und das Kälbchen fehlte, fragte er danach. Der Hirt antwortete „das

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1857). Göttingen 1857, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1857_I_335.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)