Seite:Foerster Klassische Philologie der Gegenwart 04.jpg

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Töchter, die vergleichende Religions-, Sitten-, Rechts-, Künstgeschichte, mit Einem Wort die vergleichende Kulturgeschichte angeregt haben. Die erste Frage, an deren Lösung sie Anteil nahm: wie beschaffen war die Sprache, welche die Vorfahren der Griechen und Italer zu der Zeit redeten, als sie noch mit den übrigen indogermanischen Völkern Eine Familie bildeten? – hatte bald die weiteren Fragen im Gefolge: wie lebte jenes Stammvolk? Speziell: auf welcher Stufe standen seine religiösen Anschauungen? Welches waren die Gegenstände seiner Verehrung? Hatte es bereits gewisse sittliche und rechtliche Normen? Kannte es bereits die Anfänge einer kunstmässigen Fertigkeit, vielleicht gar auch schon eine Form des Metrum? Fragen zu deren Lösung die Wissenschaft, sobald sie erkannte, dass Wortverwandtschaft zwar immer ein Schema, nicht aber immer ein mit zutreffendem Inhalt ausgefülltes Schema ergiebt, die Hülfe der vergleichenden Ethnologie suchen musste. Auf jene ersten Fragen: wo war die Heimat dieses Stammvolkes? In Asien oder in Europa? und in welcher Weise, etwa in der Weise der Aeste des Baumes oder nach Art der Wellen hat sich dasselbe geteilt, auf welchen Wegen sind die einzelnen Völkergruppen in ihre nachmaligen Wohnsitze gelangt? – folgten alsbald die weiteren Fragen: wo sind die nachweislich ersten Niederlassungen der Griechen und Italer nach ihrer Einwanderung in die Balkan- und Apennin-Halbinsel? Etwa in Mykenä? Etwa in jenen wunderbaren Resten primitivster Kultur, den Pfahldörfern in Ober-Italien, den sogenannten Terremare? Und welches wurde der Faktor für die Hebung dieser jedenfalls sehr niedrigen Kultur, welche zwar die Stufe des Nomadenlebens, aber nicht die Anfänge des Ackerbaus sowie der Geschlechterverfassung überschritten hatte? Die Beantwortung der letzten Frage brachte die klassische Philologie in unmittelbare Berührung mit der orientalischen. Denn es stellte sich sehr bald heraus, dass wenn auch in geringerem Maasse als die römische von der griechischen Kultur, letztere in Bezug auf technische Fertigkeiten, Maasse,

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Richard Foerster: Die Klassische Philologie der Gegenwart. Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1886, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Foerster_Klassische_Philologie_der_Gegenwart_04.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)