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Seite:Die Gartenlaube (1893) 455.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893)

Damals hatte aber auch der Adel und das elegante Wien den Augarten zu seinem Lieblingsaufenthalt erkoren und dem Bedürfniß nach angenehmer Zerstreuung entsprangen die denkwürdigen Morgenkonzerte, die kein Geringerer als Mozart veranstaltete. Der Glanz und Luxus, der bei diesen Zusammenkünften entfaltet wurde, die geputzte Menge in farbenprächtigen Kostümen und Uniformen, dazu die liebliche Musik des unsterblichen Tonmeisters mögen in diesem Rahmen Eindrücke von überwältigender Wirkung geboten haben.

Heute ist der schöne Park vergessen und verlassen, und nur das liebliche Sängervolk in den Zweigen, die Nachtigallen und Amseln, die einst der edle Kaiser hierher verpflanzte, zwitschert das ewige Lied von Lebensdrang und Daseinsfreude, mit dem der große Tonkünstler Mozart die Herzen seiner Zeitgenossen so mächtig zu ergreifen wußte. –

Der Bezirk Wieden, sowie der angrenzende Bezirk Landstraße haben die meiste Auswahl in großen Gartenanlagen. Außer dem Stadtpark befinden sich hier zwischen der Heugasse und dem Rennweg der Botanische Garten und zwei geschichtlich denkwürdige, großartige Anlagen, die dem Besuch des Publikums geöffnet sind: der Schwarzenberggarten und der Belvederegarten. Der Botanische Garten, eine für die Wissenschaft höchst werthvolle Schöpfung voll seltener Pflanzenarten, soll demnächst der Bauwuth theilweise zum Opfer fallen. Er ist trotz seiner Schönheit und seines lehrreichen Zweckes sehr wenig besucht. In der Mitte des Gartens steht ein botanisches Museum mit reichhaltigen und werthvollen Sammlungen, wie man sie sonst in der Welt nur selten in gleichem Umfang antrifft. Das Herbarium zählt über 40.000 Arten; eine Sammlung von getrockneten Früchten 8- bis 9000 Arten. Der Garten, für den Wissensdurstigen ein aufgeschlagenes Buch voll tiefer Weisheit, ist auch für den Laien ein erquickender Aufenthalt. Man findet keine mathematischen Linien, keine Blumenarabesken, keine steifaufmarschierenden Baumgrenadiere, die den Besucher empfangen wie die aufwartenden Kellner im Frack und weißer Krawatte; dafür aber einen Farbenzauber und einen Formenreichthum, der dem Auge herrlich wohlthut.

Der Schwarzenberggarten.

Nicht weit davon ist der im italienischen Zopfstil gehaltene Belvederegarten mit seinen abgezirkelten Beeten, seinen zugestutzten Buchsbaumhecken und seinen glattrasierten Baumreihen gelegen. Zwei Paläste, das untere und das obere Belvedere, einst der stolze Sommersitz des großen Generalfeldmarschalls Prinz Eugen, begrenzen den terrassenförmig ansteigenden Garten. Vor kurzem noch waren diese Paläste mit zwei reichhaltigen, weltberühmten Sammlungen belegt, der Ambraser Sammlung und der kaiserlichen Gemäldegalerie, die beide jetzt in den prunkvollen Räumen des kunsthistorischen Museums untergebracht sind. Der Belvederegarten, schon vordem zumeist nur von Studenten und Liebespärchen besucht, ist seit der Uebersiedlung der kostbaren Schätze noch mehr vereinsamt und gemahnt mit seiner steifen Pracht und den absonderlichen eckigen Linien, dem Werke des Hofgartenkünstlers Anton Zimmer, an das Vergängliche aller irdischen Herrlichkeit. Wenn der Mond sein magisches Licht über die lebenden, aber stummen Zeugen eines großen Zeitalters ergießt, dann mag die angeregte Phantasie die schneeig blinkenden Kieswege mit den Spukgestalten jener farbenfrohen Zeit bevölkern . . .

Von der zweiten Terrasse, zu welcher von beiden Seiten breite, mit Allegorien der Monate von Hans Gasser geschmückte Steintreppen führen, genießt man die berühmte Fernsicht auf Wien und das sanft ansteigende Hügelgelände. Schon die Römer hatten die beherrschende Lage dieses Ortes erkannt; denn hier stand ihr Castrum, und auch der berühmte Feldherr verrieth seinen taktischen Spürsinn, als er zur Zeit des kunstfreundlichen Karl VI. 1724 an dieser Stelle den herrlichen Bau von Hildebrand aufführen ließ.

Der schattige, im englischen Stil angelegte Schwarzenberggarten erfreut sich eines weit zahlreicheren Besuches. Dazu mag außer seinem erquickenden Schatten wohl hauptsächlich die vortheilhafte Lage zwischen den volkreichen Bezirken Wieden und Landstraße, sowie die Nähe der Stadt beitragen. Der Hochstrahlbrunnen, seit dem Bestand der Hochquellenleitung eine Wiener Sehenswürdigkeit, die aber wegen des chronischen Wassermangels nur selten zeigt, was sie kann, ziert den großen freien Raum vor dem Schwarzenbergpalais, einer Schöpfung des genialen Fischer von Erlach. Das malerische Schloß bildet einen überaus wirksamen Abschluß des Schwarzenbergplatzes, einer der schönsten Veduten Wiens.

An schönen Sommertagen wimmelt es hier von Besuchern. Die Kinderwelt ergötzt sich unter der großen Kastanienallee oder umschwärmt den großen Teich auf der zweiten Terrasse mit seiner malerischen grünen Umrahmung, betrachtet von der bizarren Tuffsteingrotte aus das geschäftige Treiben der Enten und Schwäne und findet in den vielverzweigten schattigen Wegen einen willkommenen Tummelplatz für ihre heiteren Spiele. Der Rasengrund ist durch seinen Blumenflor berühmt, der in großen Glashäusern gezogen wird. Geräumige Wasserbecken mit Springbrunnen, Goldfischen und Wasservögeln bringen an passenden Orten Lust und Leben in die Landschaft. Der Charakter des Parkes zeugt in seiner Würde und seinem maßvollen Prunke von dem erlesenen Geschmack des Geschlechtes, das diese herrliche Oase geschaffen hat. Ehrwürdige Baumriesen blicken gleich stolzen Ahnen auf die zu ihren Füßen wimmelnden Epigonen herab und flüstern sich Geschichten zu von glanzvollen Festen und rauschenden Vergnügungen, die auch in unseren Tagen zeitweilig Nachfolge fanden. Der Schwarzenberggarten ist unstreitig der beliebteste und besuchteste unter den Privatgärten Wiens, und es giebt wohl kaum einen Wiener der östlichen Bezirke, dem die Nennung dieses Namens nicht unvergeßliche, frohe Erinnerungen wachrufen würde.

Von weniger ehrwürdigem Alter ist der erst anfangs dieses Jahrhunderts (1824) von Kaiser Franz I. an Stelle der alten Befestigungswerke angelegte Volksgarten. Er ist stets gut besucht; denn seine günstige Lage am äußeren Burgplatz, die täglichen Konzerte im Pavillon des Restaurationsgartens, die prachtvolle monumentale Umrahmung machen ihn zu einem beliebten Aufenthalt von alt und jung. Die Gartenanlage bietet nichts Bemerkenswerthes; auch hier findet man schöne Alleen, farbige Blumenbeete und saftiggrüne Rasenplätze, in deren Mitte sich kleine Wasserbecken mit kunstvollendeten Marmorgruppen Tilgners u. a. befinden. Fast im Mittelpunkt des Gartens erhebt sich der prächtige Theseustempel, eine getreue Nachahmung des athenischen Vorbildes; noch vor kurzem beherbergte er das herrliche Meisterwerk Canovas „Sieg des Theseus über den Minotaurus“, aber dieses wurde vor einiger Zeit in das kunsthistorische Museum

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_455.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2024)