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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Direction bis zu seinem Tode, der im Jahre 1828 erfolgte, in den letzten drei Jahren in Gemeinschaft mit Christian J. F. Schulz. Schicht war für das Musikleben von Leipzig, wo ihm im Jahre 1810 auch das Thomas-Cantorat übertragen wurde, von großem Einfluß, welcher sich in Folge seiner Lehrthätigkeit auch weit über die Grenzen der Stadt erstreckte. Eine große Anzahl nachher berühmter sächsischer Musiker, wie Anacker, Reißiger, Franz und Julius Otto waren Schüler von Schicht, wie er auch als schaffender Künstler durch seine Kirchenwerke zu den Ersten seiner Zeit zählte. Das Oratorium „Das Ende des Gerechten“, die Motetten: „Nach einer Prüfung kurzer Tage“ und „Meine Lebenszeit verstreicht“ trifft man zuweilen noch heute auf dem Repertoire. Im Gewandhause erzielte namentlich sein „Vater unser“ einen großen Eindruck. Als Componist steht er noch mit einem Fuße in der Zeit der Schnörkel und Zöpfe, aus seinen mehrstimmigen Sätzen spricht aber eine milde und schöne Persönlichkeit.

 C. J. P. Schulz. J. G. Schicht. C. A. Pohlenz. J. A. Hiller.
 Carl Reinecke. Felix Mendelssohn Bartholdy. Julius Rietz.
Die Dirigenten der Leipziger Gewandhaus-Concerte von 1781 bis 1881.
Originalzeichnung von Adolf Neumann.

Schicht’s Directionszeit ist neben der späteren Mendelssohn’s die glänzendste Epoche des Leipziger Gewandhauses. Sie zeichnet sich durch die häufige Aufführung von Chorwerken aus; denn Messen, Motetten, Psalmen, Oratorien standen fortwährend auf dem Programm. Haydn’s „Stabat mater“, seine „Sieben Worte des Erlösers“, das „Tedeum“, „il Ritorno di Tobia“, seine Messen, „Schöpfung“ und „Jahreszeiten“, wurden unter Schicht dem Gewandhaus-Publicum vorgeführt, wie auch Händel’s „Messias“ damals zuerst zum Vortrag kam. Von der Bach’schen Familie ist nur der Hamburger, Philipp Emanuel, vertreten mit seinem zweichörigen „Heilig“ und der Londoner, Johann Christian, mit einem „Gloria“ in neun Sätzen, aber keineswegs war der alte Johann Sebastian in Leipzig vergessen; denn begegnen wir ihm auch nicht im Gewandhause, so war er um so häufiger mit seinen Motetten und auch einzelnen Cantaten in den Kirchenaufführungen der Thomaner zu finden. Von in neuerer Zeit weniger bekannten Chorcomponisten nennen wir aus der Schicht’schen Periode nur noch Bergt, Rolle und Rosetti; auch kam damals Romberg’s „Glocke“ zur Aufführung.

Von ganz besonderem Interesse ist die Periode der Schicht’schen Direction dadurch, daß in ihr fast sämmtliche großen Werke Beethoven’s ihren ersten Einzug in das Gewandhaus hielten. Die Aufnahme derselben durch das Gewandhaus-Publicum war eine durchaus entgegenkommende und auch da, wo man nicht sogleich klar sah, eine des Meisters würdige, zuweilen eine enthusiastische. Directorium und Orchester schienen von vornherein die Vorführung Beethoven’scher Werke als eine ernste Mission aufgefaßt zu haben.

Aeußerst wohlthuend stechen die Leipziger Urtheile über Beethoven’s Compositionen gegen die Berliner ab. Von der zweiten Symphonie, welche in beiden Städten gegen das Neujahr 1805 ziemlich gleichzeitig aufgeführt wurde, berichtet man aus Berlin: „Diese Symphonie erregte nicht solche Sensation als Mozart’sche und Haydn’sche.“ Aber aus Leipzig schrieb man: „Dies Werk eines Feuergeistes wird bleiben, wenn tausend jetzt gefeierte Modesachen längst zu Grabe getragen sind.“

Nur gegen den letzten Satz der neunten Symphonie sträubten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 791. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_791.jpg&oldid=- (Version vom 2.12.2022)