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Seite:Die Gartenlaube (1874) 391.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

des Ostgothenkönigs Theodorich, welche Karl im Jahre 801 von Ravenna nach Aachen gebracht hatte.

Längs der Westseite des Palastes zog sich die von Köln nach Mastricht führende Heerstraße hin, welche durch ein Thor mit dem unteren Burghofe in Verbindung stand. Längs desselben führten überdeckte, nach den Seiten offene Gänge hin, welche diesen Theil des Palastes und die Capelle mit den Wohnungen des Kaisers verbanden. Der ganze Palast war, wie aus dem Capitular de disciplinis palatii aquisgranensis hervorgeht, durch eine denselben umgebende Mauer von dem dabei liegenden Flecken getrennt, hatte aber keine eigentlichen Befestigungen, die überhaupt zu jener Zeit an den Schlössern der Fürsten nicht gebräuchlich waren. Von den diese Mauer flankirenden Thürmen, deren bei verschiedenen Chronisten Erwähnung geschieht, ist, wie man annimmt, noch ein Stück Mauerwerk von etwa zwanzig Fuß Höhe in dem östlichen der beiden Rathhausthürme, dem sogenannten Granusthurme enthalten.


Das Rathhaus zu Aachen.
Nach einer Skizze von Rudolf Scipio.


Die Großartigkeit und Pracht des Kaiser-Palastes wissen die Chronisten jener Zeit nicht genug zu rühmen. So schildert Angilbert unter Anderen auch die Schönheit der ehernen Kuppeln, welche von der Bergeshöhe weit in das Thal hinabglänzten, und der Dichter des Titurel, welcher zu einer Zeit schrieb, in welcher jener Bau bereits manchen Sturm ausgehalten, weiß die Herrlichkeit der Burg Montsalvatsch nicht besser zu preisen, als dadurch, daß er ihr die Paläste von Rom und Aachen nachstellte.

„Gein rom gein ache den verten wart nie den geliche.“

Für die große räumliche Ausdehnung des Palastes sprechen eben so wohl verschiedene Nachrichten aus jener Zeit, wie die noch vorhandenen Reste seines Mauerwerkes. Es wurden aber auch gerade in dieser Hinsicht nicht geringe Anforderungen an die Hofburg eines so mächtigen und angesehenen Herrschers gestellt, in welcher nicht nur die kaiserliche Familie, sondern auch die häufig anwesenden fremden Fürsten und Gesandtschaften mit ihren Gefolgen Platz finden mußten. Daß man hierbei zu jener Zeit in der Gastfreundschaft ziemlich freigebig war, geht unter Anderem daraus hervor, daß z. B. König Egbert von England dreizehn Jahre als Gast am Hofe Karl’s des Großen weilte.

Nach Allem, was wir über das Leben und Treiben an dem kaiserlichen Hoflager erfahren, scheint dieses ein in jeder Beziehung reges und an den mannigfachsten Abwechselungen reiches gewesen zu sein. Dabei erblicken wir in dem Kaiser selbst überall nicht nur den Mittelpunkt, sondern auch die Triebfeder desselben. Zahlreiche Nachrichten beweisen, daß nichts von Bedeutung in seinem weiten Reiche geschah, woran er nicht persönlich lebhaften Antheil genommen hätte. Neben den sonstigen Regierungsgeschäften wandte er den verschiedenartigsten Dingen seine Aufmerksamkeit zu, und während er Fürsten und Gesandtschaften an seinem Hofe empfing und bewirthete, fand gleichzeitig der geringste seiner Unterthanen bei ihm Rath und Hülfe. In einer nach der längs des Palastes dahinführenden Heerstraße sich öffnenden Halle sitzend, unterzog sich der Kaiser geduldig der Mühe, die Recht suchenden Parteien anzuhören, und obgleich, wie Walafried erzählt, die Zahl der von allen Enden des weiten Reiches herbeigekommenen Bittsteller oft so groß war, daß der ganze Weg von ihrem Geschrei widerhallte, hören wir von Eginhard, daß der Kaiser häufig den Rechtsuchenden in den innern kaiserlichen Gemächern Gehör gab, was dieser Biograph als einen Beweis für große Leutseligkeit seines Gebieters anführt.

Nicht minder als das Recht ließ Kaiser Karl sich bekanntlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_391.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)