Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1871) 435.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


dem Prinzen von Beauffremont auf Schloß Brienne-Napoléon und in der Präfectur von Orleans, sonst nirgends. Die Tischwäsche, Tischtücher, Servietten bestehen aus gewöhnlicher Leinwand, von der Qualität, wie man sie in Deutschland zur Nachtwäsche nimmt; die französische Leinwand ist fester, kerniger als die unsrige, dafür erscheint sie aber auch gröber und unebener als diese.

Zu der wohnlichen Stimmung des deutschen Hauses fehlt es dem französischen wesentlich an einem Möbel, das sich bei uns überall eingebürgert hat, gleichviel ob es mit den schwellendsten seidenen Polstern oder mit einer harten Seegrasfüllung hergestellt ist; ich meine den Kanon philiströser Behaglichkeit, den Schauplatz süßer Ruhe, den Gegenstand, der einen Crebillon zu einem etwas frivolen, aber höchst amüsanten Buche begeistert hat, ich meine das Sopha. Nur in vornehmen Häusern, und da nur in den Empfangszimmern, findet man dergleichen, sonst nicht, Fauteuils überall, aber Sophas nur in Ausnahmen. Diese scheinen zu dem Bette gerechnet zu werden, wie das Sopha im Grunde nur aus dem Bette entstanden ist. Unter Ludwig dem Vierzehnten empfing eine Dame von Stande im Bette liegend ihre Besuche. Ein französisches Bett ist aber auch nicht nur der Inbegriff des höchsten Luxus, sondern auch der süßesten Annehmlichkeit; es ist der Capital- und Prachtschmuck des französischen Hauses von dem Palast bis herab zur Hütte. Mag eine Wirthschaft noch so ärmlich und miserabel sein, das Bett wird man immer gut bestellt finden. Die Bedeutung, die für eine deutsche Haushaltung ein reichgefüllter Wäscheschrank, hat für die französische das Lager, auf dem man Nachtruhe hält. Bekanntlich gehören die Franzosen unter die Nationen, die am wenigsten reisen; wenn man sie nach dem Grunde dieser Erscheinung fragt, so wird der Eine sagen: ich habe kein Geld zum Reisen, der Andere: ich bin zu faul dazu; aber Jeder wird dem noch beifügen: ich finde anderwärts unser Bett nicht wieder. Und darin hat er vollkommen Recht.

Der Wirth, bei dem ich in Orleans während unseres ersten dortigen Aufenthaltes wohnte, erzählte mir von einer Rheinreise, die er mit seiner Frau gemacht hatte. Unendlich drastisch und drollig war die Schilderung der Manipulationen, die er machte, um sich mit den kurzen, schmalen deutschen Betten abzufinden. So ein französisches Bett ist aber auch ein kleines Gebäude. Dem Umfange nach ist es so breit als lang und besteht in einer sehr schweren, massiven Bettlade aus polirtem Nußbaum- oder Mahagoniholz. Ich rede hier nur von mittleren Haushaltungen, in feineren Häusern findet man solche von Acajou- oder von vergoldetem Holze. Diese Bettlade ist ein so gewichtiges Möbel, daß, um sie zu bewegen, auf dem Fußboden kleine Schienen liegen, auf denen sie in messingernen Rädern geht. Nur so kann sie von einem Dienstmädchen beim Aufbetten bequem und leicht von der Wand in die Mitte des Zimmers und ebenso wieder zurückgeschoben werden. Der Boden der Bettlade ist von einer Stahlfedermatratze ausgefüllt, die aber von ganz anderer Construction ist, als die in Deutschland gebräuchlichen. Schmale, biegsame Holzstäbe laufen in der Länge des Bettes und werden am Fuß- und Kopfende von kleinen starken Spiralfedern von Draht festgehalten. Auf diesem etwas gewölbten elastischen Unterboden liegt eine dichte Matratze, die halb mit Roßhaaren, halb mit Schafwolle gefüllt ist, so zwar, daß eine Lage mit der andern abwechselt. Darauf liegt ein leichtes Federbett und auf diesem noch zwei dünnere Matratzen des nämlichen Inhalts wie die erste. Ueber die oberste ist eine sehr feine, weiche wollene Decke gespannt und über diese erst das Laken gebreitet. Dasselbe hat wenigstens die doppelte Länge des Bettes, an dessen Kopfende ein großer runder, ebenfalls mit Schafwolle und Roßhaaren gepolsterter Pfühl liegt. Dieser wird in das Laken eingewickelt, dann geht dasselbe bis an das Fußende, wird hier umgeschlagen und reicht wieder herauf bis unter den Pfühl, also bis an die Halshöhe dessen, der darin liegt. Die Decke des also construirten Ruhelagers richtet sich nach der Jahreszeit; im Winter bildet dieselbe eine weiche weiße Lamadecke, darüber man noch eine seidene Steppdecke legt, und ein von den Füßen bis zu den Knieen reichendes Federbett, mit Daunen gefüllt. Das Laken sowie die Couvertdecken sind am Fußende und an den Seiten unter der Matratze festgestopft; am Abend wird ein Zipfel oben am Pfühle zurückgeschlagen, und durch diese Oeffnung kriecht man nun hinein, wie in einen Sack. Kriechen ist aber nicht der eigentliche Ausdruck, es bedarf schon eines eleganten Turnerschwunges, um die nicht unbeträchtliche Höhe zu erreichen, aber dann wird man auch reichlich belohnt durch das vollste, süßeste, innigste Wohlbehagen. Man kann sich in die Länge und in die Quere legen, wie man Lust hat, man kann die Gliedmaßen nach allen Richtungen hin ausstrecken, und wer noch nicht müde ist, mag sich sogar durch gymnastische Uebungen den Schlaf präpariren. Raum ist genug vorhanden. So fand ich es überall. Dabei flackerte im Kamine lustig die Flamme, der rothe Schein derselben drang durch die Farben der von allen Seiten niederwallenden Bettvorhänge, rosiges Licht überfluthete Einen – man vergaß, daß man eigentlich auf einem Vulcane schlief, man vergaß die Franctireurs, die Mitrailleusen, Granaten und Gambetta, man athmete nur im Gefühle des wonnigsten Daseins, durch das Zimmer knisterte es wie eine leise Schlummermelodie und so schlief man seine acht, neun Stunden weg, bis am Morgen die Bettvorhänge sich öffneten, dunkle Augen unter schwarzem Haare und einem weißen Häubchen hereinschauten und französische Laute sich vernehmbar machten, in der Frage: „Monsieur veut-il avoir du feu?“ – Will der Herr Feuer? –

Wenn ein Corps in ein Departement oder in eine Stadt, in welcher vorher noch keine deutschen Truppen waren, einrückte, so machte der commandirende General desselben in einem Maueranschlage bekannt, was von Seiten der Einwohner den Officieren und Mannschaften geliefert werden mußte. Erstes und zweites Frühstück und Diner, die Beschaffenheit dieser Mahlzeiten unterschied sich nach dem Range der Officiere und der Mannschaften; erstere hatten drei Platten zu bekommen, bei letzteren war das Quantum des Fleisches und Weines normirt; nur in den fünf Cigarren per Tag war kein Unterschied, ebensowenig wie beim ersten Frühstück, das aus Kaffee mit Milch und Brod bestehen sollte. Im französischen Hause ist dieses nicht üblich; man genießt vor dem Frühstück, das um elf Uhr eingenommen wird, nichts, höchstens eine kleine Tasse schwarzen Kaffees oder Chocolade, und die Landleute ein Glas Wein mit einem Stücke Brod. Das zweite Frühstück richtet sich natürlich nach Stellung und Vermögen eines Hauses; zuerst wird ein Ragout gegeben, in dessen Bereitung die französische Küche bekanntlich Meisterin ist. Man ißt sich an den Champignons und Trüffeln für einige Tage krank, um, sobald man durch hartnäckiges Hungern den Magen wieder in Ordnung gebracht hat, doch wieder dem nämlichen Laster zu verfallen. In einfacheren Haushaltungen ist das feststehende Frühstücksgericht eine Schüssel gedünsteten Hammelfleisches mit Kartoffeln, die vortrefflich zubereitet ist.

Das Geschlecht der Hammel ist das allnährende Element der Franzosen in animalischer Beziehung; Hammelfleisch ist ihre Nahrung jeden Tag, mit und ohne Pilze, gekocht, gebraten, geschmort, als Ragout, Cotelette, Braten, Hammelfleisch ohne Ende bis zur Erschöpfung. Da eine Nation mehr oder weniger immer ein Product ihrer Nahrung sein wird, und da nach dem Volksglauben Hammelfleisch capriciös und hoffärtig machen soll, so mag es daher wohl auch kommen, daß den Franzosen im Laufe der Zeiten die Wolle so sehr gewachsen ist.

Nächst dem Hammelfleische bildete Geflügel eine stehende Platte unserer Mahlzeiten; anderes Fleisch, vornehmlich große Braten, waren schwer zu beschaffen, dagegen gab es an Geflügel keinen Mangel, namentlich solange noch die Cernirung von Paris dauerte und dieser Riesenmagen uns noch nicht alle Vorräthe der Provinz verschlang. Ich habe niemals größere, fettere und zartere Truthähne und Hühner gesehen und gegessen, als in den Gegenden der Loire und im Departement der Sarthe. Die Hühner von Le Mans und aus La Flêche haben ein europäisches Renommée. Was man dagegen von dieser Gattung in Deutschland erzeugt und selbst den Muth hat, gebraten auf den Tisch zu setzen, muß wie eine Ironie, wie ein Hohn auf das edle Geschlecht alles Gefiederten erscheinen. Einer meiner Bekannten, der als Officier im Felde steht und dessen Amusement zu Hause ein Hühnerhof ist, schrieb jüngst seiner Frau:

„Ich bitte Dich, liebes Kind, ehe ich nach Hause komme, allen unseren Hühnern die Hälse umzudrehen; ich kann sie jetzt nicht mehr sehen, noch weniger essen.“

In Orleans kaufte man einen fetten Truthahn für zehn Franken und in Le Mans ein Huhn um zwei und dritthalb Franken. Später allerdings in Fontainebleau mußten wir für ein Huhn einen Thaler achtzehn Silbergroschen bezahlen, aber da hatten wir auch Frieden, und die Franzosen das Recht, uns tüchtig zu prellen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_435.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)