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Seite:Die Gartenlaube (1865) 027.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

des Besuchszimmers. Selbst die zahlreichen Spinnen läßt man in Ruhe, und Tische und Stühle werden glücklicherweise nicht gebraucht.

Jetzt läßt die Hausfrau den Koch aus der im andern Hofe etwas abgelegenen Küche unter das geöffnete Fenster bescheiden, und nachdem sie einen Zipfel ihres Schleiers vor diesem männlichen Wesen bis an die Nase gezogen hat, schärft sie ihm nochmals ein, sich Mühe zu geben, damit ihr und ihm ja keine Schande erwachse. Sollte er aber zu viel in Rechnung setzen oder sich wieder betrinken, was einem guten Muselman doch ein Gräuel sein müsse, so würde sie bei dem Herrn schon dafür sorgen, daß er wenigstens seine fünfzig Hiebe auf die Fußsohlen bekäme. Der Koch schleicht sich still brummend davon; denn so sehr es ihm widerstrebt, Befehle oder gar Drohungen von einer Frau hinnehmen zu sollen, die ja doch nach persischen Begriffen nur den halben Verstand eines Mannes besitzt, so weiß er doch aus Erfahrung zu gut, daß mit dieser Frau nicht zu spaßen ist, die als echte Kadscharin ihren Mann beherscht, trotzdem sie kinderlos geblieben ist. Was das Erstere aber anlangt, so sind die Perser sehr im Unrechte, denn im Allgemeinen stehen die Perserinnen den Persern an Geist und auch an Gemüth weit voran, wenn auch viel seltener an Erfahrung, die bei ihrer abgeschlosseneren Lebensweise fast unmöglich ist. Endlich muß eine Dienerin im offenen Hausflur die ungeheure russische Theemaschine mit Wasser füllen und in Brand setzen, während zwei andere schwarzen Kaffee und Wasserpfeifen bereit halten.

H.




Aus der deutschen Weinstadt.
Von Ludwig Storch.

Ich weiß nicht, ob man schon die Bemerkung gemacht und öffentlich ausgesprochen hat, daß es ganz in dem Sinne, wie es eine deutsche Sandstadt, wo zumeist die specifisch deutsche Intelligenz und das deutsche Junkerthum gedeihen, auch eine deutsche Rebenstadt giebt, wo ebenfalls deutscher Geist gedeiht und ganz vorzüglich deutscher Traubengeist. Diese Stadt führt den bezeichnenden Namen Würzburg, d. h. im heutigen Deutsch: Weinstadt; denn unsere Ahnen im grauen Alterthume, welche die Burg Würzburg, später Marienberg genannt, erbauten, gaben ihr den Namen nach einem Würzgarten an der Süd- und Ostseite des sehr schön geformten Berges, d. h. einem Weingarten, den man jetzt weniger poetisch Leisten und Schloßberg nennt. Sie waren nämlich so vernünftig zu glauben, daß der Wein die beste aller Würzen sei und daß man ihn deshalb vorzugsweise Würze nennen müsse. Und seit auf diesem Berge das herrlichste Traubengut durch Sonnengluth und verständige Pflege gedeiht, sind wir zu dem guten Glauben unserer Altvordern zurückgekehrt und meinen, der Berg werde auch einmal in späterer Zeit seinen alten ehrwürdigen Weinnamen wieder haben. Der sonnige Rheingau mit seinen kostbaren Weinbergen hat doch keine Weinstadt wie das nicht minder helle und warme Weinbergland am Main, und so ist es denn den Würzburgern nicht zu verdenken, wenn sie aus allen Leibes- und Geisteskräften bemüht sind, den letzten Rest des Schattens, welchen die Vorfahren vor einigen Generationen hatten auf den Namen ihres Weines fallen lassen, nicht nur gänzlich zu vertilgen, sondern auch diesen Namen in das hellste Sonnenlicht zu setzen.

Schon jetzt kann man sich einen Vorschmack von der Herrlichkeit der Würzburger Weinzukunft verschaffen, wenn man eine kleine Weinreise durch die sehr ehrwürdigen Weinkeller und Schaumweinfabriken der Stadt macht; da wird man eine richtige Vorstellung von der Großartigkeit und hohen Bedeutung des heutigen Würzburger Weinhandels fassen, dessen Umsatzcapital jetzt bereits nach Millionen zählt. Es giebt Weinhandlungen hier, die mit den bedeutendsten Weingeschäften Frankreichs concurriren.

Zwei zum Würzburger Weinbau gehörige Gegenstände sind es, die gleichsam in einem Blick den rechten Begriff davon geben. Es ist der Güte und Schönheit der deutschen Frankenweine angemessen, daß sie zum Theil auf würdige Weise in Schaumweine verwandelt werden. Daß dies geschieht und in welcher Ausdehnung, davon kann man sich in den hiesigen Schaumweinfabriken überzeugen. Es ist ferner der deutschen Weinstadt angemessen, daß sie den größten und schönsten deutschen Weinkeller besitze. Und das ist in der That und Wahrheit der Keller des Königsschlosses hier, ein in zwiefacher Bedeutung wirklich königlicher Keller, der König der deutschen Weinkeller.

Die Würzburger Schaumweine und der Würzburger Hofkeller sind die beiden Spitzen oder Pole der fränkischen Weinproduction. Gönnen wir beiden einen freundlichen, liebevollen Blick!

Wie die ganze Weinproduction in Franken im Allgemeinen in der neuern Zeit einen höchst erfreulichen Aufschwung genommen hat, so insbesondere die Fabrikation der Schaumweine. Wir trinken jetzt schäumende Frankenweine, von deren Güte und Lieblichkeit die frühere Zeit keine Ahnung hatte. Zu den Würzburger Schaumweinen werden die edlern Traubensorten, welche die heiße Sonne auf dem Kalkgebirge an den Ufern des Mains zu strotzender Fülle großzieht, verwendet. Was da schäumen und perlen, was die Welle des Bluts und Gedanken und Gefühle des Trinkers beflügeln soll, das muß von edler Natur sein. Die technische Behandlung der Weine ist ganz dieselbe wie in der Champagne, von wo diese Industrie nach Deutschland verpflanzt worden ist. Die Weine werden, nachdem sie von der Hefe befreit worden, im Laufe des Winters geklärt und während des ganzen Sommerhalbjahres auf Flaschen gefüllt. In diesen machen sie eine zweite Gährung durch. Nicht selten sprengt die nun erzeugte Kohlensäure die gläserne Schranke, oder jagt den ihr aufgepressten Hut zu frühzeitig in die Luft. Der Flaschenbruch erreichte in frühern Jahren zuweilen die enorme Höhe von sechzig Procent; doch hat sich die Fabrikation auch nach dieser Seite vervollkommnet, und der unvermeidliche Schade ist jetzt weit geringer. Jahr und Tag lagert der Wein nun in den Flaschen ab, die dann aus Stellagen in schräger Richtung aufgestellt und täglich mit der Hand leicht gerüttelt werden, um die durch das Lagern abgesetzte Hefe von den Wänden in den Hals der Flasche auf den Kork zu befördern. Durch diese gelinden Rippenstöße wird der edle Rebensaft daran erinnert, seine vollständige Purification vorzunehmen und das letzte Restchen unedler Substanz zu beseitigen. Diese educatorische Manipulalion muß zum Heile des schmackhaften Zöglings täglich wiederholt werden, bis der Wein jene ideale Farbe gewonnen hat, die, keine seiner geringsten Vorzüge, ihn so ungemein appetitlich erscheinen läßt. Hat er diese Höhe der Vollkommenheit erreicht, so löst ein geschickter Arbeiter Draht und Bindfaden der Flasche, den Kork nach unten, lüftet diesen, wendet dabei den Hals der Flasche nach oben und läßt das Unreine herausspritzen. Hierauf wird die Flasche mit der nöthigen Dosis feinsten Liqueurs wieder aufgefüllt, mit neuem Kork versehen und dieser mit neuem Draht und Bindfaden befestigt. Also verschlossen, bekommt sie nun ihre goldene oder silberne Haube auf den Kopf gestülpt und das prächtige Brustschild aufgeheftet, das leider gar zu oft noch eine Lüge enthält; denn was unsere deutschen Berge geboren, was deutscher Fleiß groß gezogen und deutsche Hände fertig gepflegt haben, das wird hier und da noch für französische Waare ausgegeben und das Wort mousseux spielt noch eine Hauptrolle. Es ist eine Schande, die herrlichen deutschen Schaumweine, die den französischen in keiner Weise nachstehen, immer noch mit diesen albernen französischen Etiketten versehen zu müssen, weil wunderlich befangene Menschen meinen, der französische mousseux sei besser, als der deutsche Schaumwein.

Der Deutsche darf es mit Stolz verkünden, daß die deutschen Schaumweine mit deutscher Etikette, dem französischen Champagner in England den Vorrang abzulaufen begonnen haben und immer mehr gesucht sind. Soll er nicht im eigenen Vaterlande die Fahne aufziehen, die ihm in England schon als Siegesfahne leuchtet? In dieser Hinsicht bewährte der treffliche Siligmüller, den wir als größten Schaumweinfabrikanten Würzburgs in diesem Artikel noch näher kennen lernen, seine deutsche Patriotennatur. Schon vor zwei Jahren erließ er ein patriotisches Rundschreiben an alle seine Abnehmer mit der Aufforderung, den Consumenten nur Schaumweine mit deutschen Etiketten vorzusetzen und auch dadurch dem Deutschthume überhaupt und der deutschen Industrie insbesondere die gebührende Achtung und Anerkennung zu gewähren. Siligmüller

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_027.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)