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Seite:Die Gartenlaube (1864) 255.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Gegend abgegrast ist, hören die Anzeigen und die selbstfabricirten Zeugnisse in den betreffenden Zeitungen allmählich auf; dafür tauchen sie an weiter entlegenen Orten wieder empor.

Als die Gartenlaube dem Laurentius’schen „persönlichen Schutze“ die Maske abgerissen, zog sich derselbe aus den größeren Städten auf das flache Land zurück und beglückte mit seinem Erscheinen Gegenden, die von der großen Verkehrsströmung abliegen. Wenn daher auch solch ein sauberer Gesell manchmal seine Rolle ausgespielt zu haben scheint, so ist er deswegen nicht allemal schon vollständig verschwunden. Bei der Heimlichkeit, mit welcher mancher derartige Handel getrieben wird, und bei der fortwährenden Wiedergeburt des Publicums werden „Pillen“ und „Tropfen“ vertrieben, die schon vor dreißig Jahren verkauft wurden. –

Da nun das Volk diese Blutsauger, die sich wie das Ungeziefer anheften und mästen, von selbst in ihrer oft mit vieler Kunst lackirten Fratze nicht so leicht durchschaut, so ist es Pflicht jedes Einzelnen, der etwas dazu beitragen kann, dieselben zu kennzeichnen und für möglichst weite Kreise zu brandmarken. Die Gartenlaube glaubt bei ihrer Verbreitung in dieser Hinsicht auch großen Nutzen stiften zu können, wenn sie die Betrügereien aufdecken hilft, denen das Publicum durch die fortwährend sich vermehrende Zahl von Geheimmitteln ausgesetzt ist. Sie wird deshalb von Zeit zu Zeit eigene Erfahrungen sowohl, als auch die Enthüllungen mittheilen, welche in dieser Beziehung manche technische und wissenschaftliche Journale geben, die aber immer nur einen verhältnißmäßig kleinen und, gewöhnlich gerade den am wenigsten berührten Leserkreis haben. Dabei hofft sie auf die Unterstützung aller Redlichdenkenden.

Der Anfang dieser Demaskirung sei mit einigen ganz besonders frappanten Beispielen gemacht.

Der sogenannte Schweizer Gehörliquor wird von einem Doctor Raudnitz verkauft, und zwar kostet ein Glas mit Gebrauchsanweisung 20 Ngr. Das ist zwar an und für sich nicht viel, wenn man aber erfährt, daß man für das Geld nichts Anderes erkauft hat, als destillirtes Wasser, dem der Herr Dr. Raudnitz weiter nichts zugesetzt hat, als einige Tropfen fuselhaltigen Branntwein, und daß der ganze Quark mit Glas und Gebrauchsanweisung auf höchstens 1 Ngr. zu stehen kommt, so bekommt die Sache einen bedenklichen Beigeschmack von Beutelschneiderei. – Was von der Wirkung zu erwarten ist, kann sich Jeder selbst sagen. –

Aus Paris kommt ein Cosmeticum in Flaschen in den Handel, welche 6 Unzen halten und 5 Franken kosten, es heißt: Lait antéphélic contre les taches et boutons du visage etc. Paris, Candis et Comp. Es soll also gegen Blüthchen, Ausschläge, Flechten, kurz gegen Alles helfen, was man nicht gern in der Physiognomie haben möchte. Wittstein hat dieses Mittel untersucht, nach seiner Analyse besteht es in 1000 Gewichtstheilen aus etwa 10 Theilen Quecksilbersublimat, 1 Salmiak, 140 Eiweiß, 7 schwefelsaurem Bleioxyd, 2 Kampher und 840 Wasser; wahrscheinlich ist es durch Versetzen einer salmiakhaltigen Sublimatlösung mit Eiweißlösung und schwefelsaurem Bleioxyd dargestellt worden; gewiß aber kostet die Herstellung einer Quantität, wie sie für vierzig Ngr. verkauft wird, noch nicht 1 Ngr.!

Aus England angeblich stammt das sogenannte Krystall-Pulver. Es wird dasselbe in Päckchen von 41/2 Loth mit Gebrauchsanweisung verkauft, soll anstatt der Seife zum Waschen benutzt werden und ganz unvergleichliche Dienste leisten. Gegen alles dies ist nichts einzuwenden, nur sollte das Paket nicht zu 12 Ngr. (40 Xr.) verkauft werden, denn man kann es sich für 15 Pfennige herstellen, und dann sollte das Salz nicht Krystallpulver heißen, sondern Soda, denn es ist nichts Anderes.

Wir enden für heute hiermit unsere Schwindeldemaskirung, haben aber noch Material in Fülle zur Hand, um sie demnächst fortzusetzen.




Ein Fisch, der sich einpuppt. Dem unersättlichen Menschen, der unbefriedigt seine Blicke zu dem Monde und anderen Weltkörpern erhebt, möchte ich jene Thierchen, die in den Dachrinnen leben, vergrößert vor Augen führen, um ihm zu zeigen, daß man nicht unsern Luftkreis zu verlassen braucht, will man Neues erfahren und Wunder sehen.

Der Regentropfen, der soeben vom Himmel in die Dachtraufe gefallen, hat ein Thier, das bis daher vertrocknet und todt dagelegen, von Neuem in das Leben zurückgerufen. Räderthierchen und Bärenthierchen, Infusorien, die unser Auge nur unter dem Mikroskope zu erkennen vermag, kapseln sich, sobald alles Wasser in ihrer Umgebung verdunstet ist, ein und bleiben in diesem Zustande lebensfähig, lange Zeit hindurch aber wie todt, liegen, bis neue Feuchtigkeiten ihre Lebensäußerungen wieder wach rufen, oder Winde diese leichten Körperchen weit mit sich forttragen, um das eine oder andere wieder in sein Element zu senken. Dieser Vorgang, obwohl schon längst erkannt, hat in belehrenden Blättern noch wenig die Runde gemacht, noch weniger aber möchte die Geschichte den Lepidosyren, eines Aales, dem Leserkreise bekannt sein, der ähnlich, wie diese Infusionsthierchen, sich einpuppt, sobald er sich von seinem Elemente verlassen sieht. Es ist dies eine Aalart, die an den Ufern des Nils lebt und an den seichten Stellen auf ihre Beute lauert. Würmer und kleine Fischchen sind seine Nahrung; er ist nicht viel dicker als eine gewöhnliche Federbüchse und nicht viel länger als einen Fuß; es kommen jedoch wahrscheinlich auch größere Exemplare vor. – Bekanntlich hat der Nil zu verschiedenen Jahreszeiten auch ein engeres oder weiteres Bette; seine Ufer sind nicht immer dieselben, denn was heute mit Wasser bedeckt, kann in einigen Wochen, wenn der Strom zurückgetreten ist, mit den herrlichsten Fruchtfeldern prangen. Die Stelle, wo der Lepidosyr noch vor Kurzem dem kleinen Gewürme nachjagte, liegt jetzt trocken, und der Aal ist zurückgeblieben auf der von der Sonne ausgedörrten Scholle. In einer thonigen Erdmasse, die, wie wir wissen, die Feuchtigkeit zurück hält, liegt nun, von einem braunen häutigen Beutel umgeben, dieser sonderbare Fisch; er ist fast ganz abgesperrt von der Außenwelt, sein Herz scheint nicht mehr zu schlagen, und seine Eigenwärme ist auf das Minimum herabgesunken, wie bei Thieren, die den Winterschlaf begehen. Der häutige Beutel sieht aus wie die Hülle eines Badeschwammes und hat da, wo der Kopf des Thieres gedacht werden muß, eine runde thalergroße Scheibe von demselben Stoffe als Verschluß. Von dieser Scheibe geht ein röhrenartiges Zäpfchen einwärts in den Mund des Thieres. Im zoologischen Garten zu Frankfurt wurde durch Weinland ein eingepuppter Lepidosyr veranlaßt, seine Hülle zu zerreißen, indem er ihn in das Wasser setzte, worauf wir die Hülle untersuchten. In dem soeben erwähnten Röhrchen fand sich Schleim vor, welcher zu der Ansicht führen könnte, daß während des Schlafes keine Respiration vorhanden war; wenn nicht die Eigenwärme des Thieres, höher als die umgebende Luft unmittelbar vor dem Erwachen, als Resultat einer, wenn auch sehr geringen Respiration angesehen werden müßte. Der Schleim ist wahrscheinlich erst in den letzten Momenten hier abgesetzt worden. In diesem scheintodten Zustande liegt der Aal viele Monate, ja vielleicht Jahre lang, bis neue Fluthen sich den Weg zu seinem Kerker bahnen; dann sprengt er seine Fesseln und er ist von Neuem das, was er war, ein Pfeil in den Gewässern.

Oefele. 




Die Kunst in der Industrie. Der neuesten Zeit, ähnlich wie in der Blütheepoche des Griechenthums und am Ausgange des Mittelalters, als Städtethum und Bürgerleben ihre höchste Entwickelung erreicht hatten, ist es vorbehalten gewesen, Kunst und Handwerk wieder zu nähern, auf das Schöne in der Industrie ein Hauptgewicht zu legen und bei allen Erzeugnissen des Gewerbfleißes nicht blos den unmittelbaren praktischen Zweck im Auge zu haben, sondern auch Mannigfaltigkeit und Reinheit der Form thunlichst anzustreben. Alle die großen Industrieausstellungen der beiden verflossenen Jahrzehnte, namentlich die zwei Weltausstellungen in London, sowie die zu Paris, legten Zeugniß ab von dieser immer allseitiger und glücklicher zur Geltung kommenden Tendenz.

Das gleiche Ziel, die Vermählung von Kunst und Technik, hat sich auch die seit Beginn v. J. im Verlage von J. Engelhorn in Stuttgart in monatlichen Lieferungen zu 71/2 Ngr. erscheinende von W. Bäumer und J. Schnorr herausgegebene gewerbliche Zeitschrift „Gewerbehalle. Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunstindustrie“ gesteckt, und nach den bis jetzt vorliegenden Heften dürfen wir mit Recht behaupten, daß sie ihre Bahn mit entschiedenem Berufe verfolgt. Die Gartenlaube ist nicht der Ort dies neue und zeitgemäße Journal ausführlicher zu besprechen, aber wir glauben mit vollem Grunde, es nicht nur den Gewerbtreibenden selbst als ein vortreffliches Bildungsmittel und Ideenmagazin, sondern Allen, die sich für die Entwickelung unserer deutschen Industrie interessiren, auf das Wärmste empfehlen zu dürfen. Text und Abbildungen sind gleich gelungen und umfassen das gesammte Gebiet der Technik, die Wohnung, das Geräthe und die verschiedenen Schmuckgegenstände und Stoffe. Auch wird den neuen Erfindungen, die von Einfluß auf Kunstindustrie sind, eine stätige Aufmerksamkeit gewidmet und schnellmöglich Bild und Nachweis darüber mitgetheilt werden.


Briefkasten.[1]


M. in M. Ein tiefer Schmerz geht durch Ihre Zeilen, mein armes Fräulein, und die Thränen, unter denen Sie den Brief schrieben, werden nach alledem, was Sie mir mittheilen, nicht die letzten sein, die Ihnen Ihr Herzenskummer auspreßt. In Ihrem Leid wenden Sie sich an mich, als ob ich Ihnen Hülfe oder doch Trost senden könnte! Wer hat für diese Wunden noch den rechten Balsam entdeckt? Wie heiß auch Ihre Herzen ineinanderflammten und wie sehr es Sie zu ihm hinzog, Sie haben sich eben nicht verstanden, und erst als die Hand den Abschiedsgruß winkte, erkannten Sie, wie unendlich theuer Ihnen der Mann war und wie kalt und liebelos fortan Ihre Lebenszukunft vor Ihnen liegt. Es ist die alte Geschichte, die der Dichter so wahr und schön in den einfachen Worten schildert:

O frage nicht, wer sich vergangen,
Ob ich die Schuld, ob Du sie trägst;
Was hilft’s, wenn welk die Kränze hangen,
Daß Du nach jeder Blüthe frägst.
Wir sind uns kalt und fremd geworden,
Das Segel winkt, die See geht hohl,
Nach Süden ich und Du nach Norden,
Verlornes Herz, leb wohl! leb wohl!


R. in N. An Ihren Folgerungen ist nur das Eine auszusetzen, daß die letzte Frage – nach der Kraft zur Regierung der Flügel – darin doch eine offene bleibt. Sobald Sie dieselbe in der Art beantworten, daß Sie mit Ihrem Apparat wirklich geflogen sind, werde ich mit dem größten Vergnügen dem Publicum Mittheilung machen.


L. in B. Urtheilen Sie nicht zu schnell. Ich will den mir geschilderten Mann nicht vertheidigen oder seine jähe Umwandlung gutheißen – wer könnte das auch – aber der Fluch des Lebens drückt oft überwältigend schwer auf das Haupt des Einzelnen und zwingt uns zu entschuldigen, wo wir nicht vertheidigen können. Erlauben Sie mir Ihnen eine kleine Geschichte zu erzählen.

Vor Kurzem traf ich wieder mit einem Freunde zusammen, den ich seit fünfzehn Jahren nicht gesehen. Damals kannte ich ihn als einen begeisterten Vorkämpfer der Volkssache, als einen unserer gewiegtesten Publicisten und als den besten Redner, der mit überzeugender Kraft alle Gegner der Freiheit zur Umkehr hinriß. Er that es ohne Eitelkeit und ohne persönlichen Vortheil – aus inniger Liebe für die Heiligkeit der Sache, für deren Rettung er, selbst noch in den Zeiten der hereinbrechenden Sündfluth, Alles


  1. Wiederholt bitte ich, alle Briefe für die Redaction an mich zu adressiren, da mir allein die Pflicht der Beantwortung obliegt.
    Ernst Keil. 
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_255.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)