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Seite:Die Gartenlaube (1861) 681.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


und machte sich in dieser Meinung darüber her, den Baum zu vernutzen. Er entlaubte einige Zweige der großen Krone, hieb auch mehrere Aeste aus und beschäftigte sich damit einen ganzen Tag. Wie groß aber war seine Verwunderung, als er am andern Morgen mit der Absicht, das Zerstörungswerk fortzusetzen, zu seiner Eiche zurückkehrend, diese munter und gerade wie ein Soldat da stehen sah! Wahrscheinlich hatte sich der Boden über Nacht gesenkt, und es waren dabei einige der untern Wurzelzweige angedrückt. Vielleicht war auch einige Spannung in denjenigen Wurzeln gewesen, die beim Umsturz des Baumes noch mit dem Boden in Verbindung geblieben waren. Durch die theilweise Entblätterung seiner Krone hatte der Baum an diesem Ende Erleichterung bekommen, und kurzum, er war umgeschnappt, und noch am heutigen Tage zwitscherten wiederum die Vögel und säuselten die Winde in seinen wieder belaubten Wipfeln.

Dies sind denn so einige von den bunten Ereignissen und sonderbaren Zuständen, zu denen das Phänomen des schwimmenden Landes bei Walkhusen Veranlassung giebt. Der Leser mag sich denken, daß es noch viele ähnliche giebt, von denen ich bei der Kürze meines Aufenthalts nichts in Erfahrung brachte, oder von denen es zu weitläufig sein würde hier zu sprechen.




Aus der afrikanischen Wildniß.

Charles John Anderson, der bekannte Reisende, der uns schon öfter Erlebnisse, Forschungen und Abenteuer aus Südafrika, vom Ngami-See etc. erzählte, ist jetzt mit einem neuen Werke: „der Okavango-Fluß“, eine Beschreibung seiner letzten Reise, herausgetreten, das namentlich auch eine Reihe höchst interessanter Jagdabenteuer enthält.

Er drang vom Cap durch das westliche Damara-Land weiter als früher und als Andere, wenigstens in bis dahin unerforschte Gegenden des inneren Afrika ein und erwies sich besonders als Nimrod gegen Elephanten. Niedrigeres Hochwild wurde blos gelegentlich auf’s Korn genommen und trotz der entsetzlichsten Gefahren immer überwunden; wie denn überhaupt der gebildete Mensch in dieser seiner geistigen Ueberlegenheit sich fast immer siegreich gegen Wildniß und Barbarei trotz oft tausendfacher physischer Ueberlegenheit geltend zu machen weiß. Er und zwölf andere geschulte Männer schlugen auf dem Wege eine bewaffnete Schaar von sechshundert Wilden theils in die Flucht, theils todt.

Der Mensch ist blos schwach, wenn er sich fürchtet und nicht zu rechter Zeit richtig schießen kann in der Wildniß. Anderson nahm’s gelegentlich mit großen Armeen von Elephanten auf, wenn sie mit starr ausgestreckten Rüsseln und segelartig ausgespannten Ohren wüthend um ihn her trompeteten.

Das erste Elephanten-Abenteuer erlebte er in einer prächtigen Thierwildniß in der Nähe des Omaruru-Flusses voller Giraffen, Zebras, Gnus, Kuudus etc. Die Spuren wurden verfolgt, bis sie in einer Entfernung von drei Viertel englische Meile ruhig fressend entdeckt wurden. Sie fielen ohne besondere Abenteuer, und Schaaren von Berg-Damaranern stürzten wie aus der Luft und Erde geierartig herbei, um sich an Hunderten von Centnern Fleisch zu mästen. Der Held selbst schmauste am folgenden Morgen von einem gebratenen Elephantenfuße und wildem Honig.

„Das Erhebendste, was ein Jäger erleben und genießen kann, fand sich kurz darauf in einer herrlichen Mondscheinnacht, deren Licht das natürlichste und wildeste Thierleben zauberhaft beleuchtete.

Wie geheimnißvoll die tiefsten Sinne und Nerven aufregend und spannend, sich mitten in der Nacht, mitten in schauerlich auflebender Wildniß allein, unbemerkt, ungeahnt als Zeuge dieser wilden, räthselhaften Bewegungen, Gewohnheiten und Neigungen der Bewohner einer solchen unvermenschlichten Natur zu fühlen! Die Natur in ihrer ganzen reichen Gestaltungs- und Bildungspracht! Keine künstliche Fütterung, keine Ketten, Kasten und Kerker, keine Tyrannen-Disciplin eines Wärters hat die stolze Kraft, wundervolle Elasticität, Lebensfrische und Laune dieses animalischen Lebens entnervt und zu armseligen Kunststücken verhungert und verhauen. Welch spannende Erregung bei jeder neuen Anmeldung einer neuen Erscheinung! Der entfernte Fußhall, jetzt deutlich über steinigen Boden klappernd, jetzt leise vibrirend in das gespannte Ohr, während er über weichen Grund schreitet – eine zarte Antilope, ein plumper Elephant, ein wildes Schwein, ein boshaftes Rhinoceros, ein Gnu, eine Giraffe, ein Schakal, ein Löwe – was ist’s – was mag es sein? Jeder Sinn, jedes Atom in uns lauscht, beobachtet, erstaunt und sieht scharf, wie genau sich nicht nur die verschiedenen Arten, sondern auch die einzelnen Exemplare derselben Art individualisiren! Und wenn sie sich begegnen und der Elephant mit dem Rhinoceros, der Löwe mit dem Tiger, zwei männliche Löwen um eine Geliebte auf Leben und Tod kämpfen! Wie sie sich belauschen und belisten, fliehen und aufsuchen, lieben und hassen – Alles in furchtbarster Kraft und Unmittelbarkeit! Anderson gesteht, er habe in einer einzigen solchen Nacht mehr Naturgeschichte kennen gelernt, als durch jahrelanges Wandern, Forschen und Studiren „am Tage“.

„Weit, weit in der Ferne von menschlichem Sein, mitten in den Behausungen des wilden Gethiers, neben den Klüften der Büffel, in Thälern, wo der Oribi spielt, wo Gnus und Gazellen und Hirschthiere grasen, wo Eland und Kudor unverjagt nachten in grauen, von wildem Wein überwachsenen Urwaldsäumen, wo der Elephant in Frieden weidet und das Flußpferd ungescheucht plätschert im Bade und das Nashorn sich nach Willen wälzt und der wilde Esel sich seines Nachttrunks erlabt – über den braunen Karru, wo des Springbocks Stimme klagend blökt und des furchtsamen Quaggas pfeifendes Gewieher an der Quelle den Morgen ruft und Zebraheerden muthwillig ihre Mähnen schütteln und mit wilden Hufen die trostlose Ebene durchdonnern und der fußbeschwingte Strauß hoch wie ein Reiter dahin galoppirt, um seine Heimath in hundertmeiligen Entfernungen immer neu zu suchen, wo der wilde Eber die Erde doppelpflügt, die Hyäne lacht, der Löwe donnert und der Tiger schleicht, über den braunen Karru hin mit ausgedörrtem, versandetem Bette wollen wir wandern, weit, weiter weg von den Gehäusen der Menschen –“

Mit diesen Worten eines echten Wildniß-Poeten schließt Anderson sein Entzücken über die mondbeleuchtete afrikanische Nacht. Er stand im Schutze und Schatten eines Ameisenhügels, bis krachende und knackende Zweige des Waldes und der Büsche des Waidmanns Leidenschaft wieder erweckten. Es waren Elephanten, wie ein Dutzend aus der Dunkelheit hervor grauender Riesenkörper verriethen. Es schienen noch dazu junge männliche zu sein. „Ich war zu weit für einen Schuß. Auch schienen sie mich sofort zu wittern, da sie sich nach einiger Prüfung der Luft zurückzogen. Kurz darauf erscheint ein Trupp ausgewachsener Bullen-Elephanten und marschirt mit festem, geradem, vorsichtigem Schritt zum Wasser. Ich lief hinter einen Baum, um ihnen in den Weg zu kommen. Just als der erste in gefährlicher Nähe an mir vorbeischritt, schickt’ ich ihm eine sichere Kugel mit schwerer Ladung in den Leib. Er stieß einen schwachen Schrei aus, spannte die Ohren weit aus und floh mit hoch hin und her schwenkendem Rüssel.

Einer von dessen Begleitern floh in entgegengesetzter Richtung, so daß ich zwischen beide kam. Da nun auch noch zwei andere zum Vorschein kamen, vorsichtig, voll Verdacht, als witterten sie mich, hielt ich meine Lage nicht für übermäßig sicher. Dennoch schoß ich, als sich einer in einer gar zu verführerischen Stellung vor mir aufpflanzte. Ich traf, und eine zweite Kugel warf ihn, nachdem er etwa fünfzig Schritt gewankt hatte, todt nieder. Sein Begleiter kehrte nach kurzer Flucht zurück, witterte mich, floh und fiel von einer Kugel.“

Kurz darauf erschien eine ganze große Heerde von Mutter-Elephanten mit Jungen und näherte sich unbesorgt dem Wasser, wo sich bald aus anderen Richtungen her noch andere Heerden einfanden. Welch ein unerhörter Anblick, als sie sich alle wie auf Commando in gerader Linie, wie eine Front Infanterie auf der Parade, dicht neben einander aufstellten und so am Rande des Wassers hin tranken, ohne es durch plumpes Hineinsteigen zu trüben! Und das war wahrscheinlich ihr Grund. Die Linie mochte ungefähr aus 150 Exemplaren bestehen. Der Mond war gerade klar

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 681. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_681.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)