Seite:Die Gartenlaube (1861) 587.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

daß Euer Schulhaus in einem höchst miserablen Zustande sein soll, und ich hab’ mich mit eignen Augen überzeugt, daß dem also ist. Ja, als Hundestall und Schafhütte würde die Baracke zu schlecht sein, in der Ihr dem verdienten Lehrer Eurer Kinder zu wohnen zumuthet, in dem Ihr Eure eignen Kinder der Gefahr aussetzt, erschlagen zu werden. Schämt Euch dessen! Ferner ist mir berichtet worden, daß Euch längst befohlen worden ist, das alte Haus von Grund aus abzureißen und ein neues zu bauen, daß aber die Mehrzahl von Euch diesem Gebote beharrlichen Trotz entgegensetzt. Ist das wahr?“

Der Schulze, auf den die Augen des Landesherrn vorzugsweise gerichtet waren, nahm all seinen Muth zusammen und wollte sprechen. Er drehte den dreieckigen Hut in der Hand, räusperte und konnte das rechte Wort nicht finden. „Durchlauchtigster Herzog,“ stotterte er, „Durchlauchtigster Herzog wollen in Gnaden geruhen, zu bedenken, zu entschuldigen, zu verzeihen –“

„Gut, gut!“ unterbrach ihn der Fürst. „Ich glaub’ es nicht, was man mir von Eurem Ungehorsam, Eurem Trotz gesagt hat. Ich weiß, daß die Gemeinde Herbedorf die Mittel besitzt, eine anständige und zweckmäßige Wohnung zu bauen, und daß es nur der vernünftigen Vorstellung bedarf, um sie zu ihrer Pflicht zu vermögen. Zwingen will ich Euch bei alledem nicht. Es soll Jeder seinen freien Willen haben, und wenn die Mehrzahl von Euch den Bau nicht will, so mag er verbleiben – auf Eure Gefahr.“

Auf einen Wink des Herzogs trat Zeuner hart an das Strohlager, zog eine Hetzpeitsche unter dem Rock hervor, schlug das Riemenende derselben zurück, schlang es um die Hand und machte eine sehr bezeichnende Bewegung.

Herzog Georg fuhr unterdessen fort: „Ich will zu diesem Zweck unter Euch abstimmen lassen. Wer der Meinung ist, daß die Gemeinde Herbedorf ein neues Schulhaus bauen soll, der trete daher auf die rechte Seite, wer dagegen ist, dorthin auf die linke!“

Auf der linken Seite stand aber eben Zeuner’s drohende, peitschenbewaffnete Gestalt, deren verdächtiges Gebehrdenspiel die Bauern mit Entsetzen erfüllte. Auf der rechten Seite standen bereits der Gemeindeschöppe und seine Genossen, auf der linken noch niemand. Da schlich auch der Schulze langsam und gesenkten Hauptes der Rechten zu, und seine Anhänger folgten ihm nach, also, daß die ganze Gemeinde eines Sinnes zu sein schien.

Ein kaum merkliches Lächeln spielte um die Mundwinkel des Herzogs. „Es freut mich,“ sagte er, „daß ein vernünftiges Wort eine gute Statt bei Euch findet. Ich habe nicht einen Widerspenstigen unter Euch getroffen, sondern Ihr habt Euren guten Willen einstimmig ausgesprochen. Geht denn mit Gott an’s Werk! Ich aber werde ferner Euer gnädiger Herzog sein!“

Der Herzog hatte kaum ausgesprochen, als eine laute Stimme außerhalb der Versammlung rief: „Unser Herzog soll leben, vivat hoch und drei Mal vivat hoch!“ Es war Hannfried, der dabei die Mütze in der Luft schwenkte und sich so ausgelassen gebehrdete, als sei er auf dem Tanzboden und das Kirmesbier spuke ihm im Kopfe. Der Schulze stand wie auf Kohlen und schoß seinem Sprößling manchen zornigen Blick zu, der leider immer sein Ziel verfehlte. Der Herzog winkte endlich den Ueberlauten herbei und fragte ihn nach seinem Namen.

„Ich bin des Schulzen Aeltester,“ war die Antwort, „und ich bin deswegen so lustig, weil ich nun doch die Liesemargt heirathen darf. Der Vater hat’s mir versprochen, wenn er in den Schulbau einwilligen thäte, dann sollt’ ich auch die Liesemargt haben. Wenn Sie nun noch ein durchlauchtigstes Wörtchen dazu sprechen möchten –“

„Da kann ich Dir nicht helfen, Bursche!“ versetzte der Herzog. „In seinem Hause ist Bürger und Bauer ganz allein Herr. Wenn aber Dein Mädchen brav ist, so wird der Vater nichts dagegen haben, und ein ehrlicher Mann hält auch sein Wort. Wenn Du Hochzeit machst, komm’ zu mir, Deine Aussteuer zu holen, und Deinem ersten Jungen bin ich Pathe. Komm, Zeuner! Gott behüt’ Euch, Ihr Männer!“

Ein vielstimmiges Lebehoch schallte dem Fürsten nach, der bald darauf nach einem herzlichen Abschied vom Pfarrer mit seinem getreuen Kammerhusaren in die Stadt zurückritt. Selbst der Schulze schwenkte den Hut, dann reichte er dem Gemeindeschöppen die Hand, die dieser mit einem kurzen: „’s bleibt beim Alten!“ drückte. „Dir aber,“ wendete er sich an Hannfried, „sollt’ ich ungebrannte Asche auf den Buckel geben. Seinen Landesherrn mit solchen Alfanzereien zu molestiren! Die Liesemargt magst meintwegen haben. In vier Wochen ist Hochzeit. Merk’s!“

Der Schulmeister freute sich des Erfolgs seines Gangs „vor die rechte Schmiede“; die Bauern aber waren nun alle mit dem Schulbau einverstanden. „Es hat’s uns Keiner so vorgestellt, wie unser Herzog Jörg!“ meinten sie; die Hetzpeitsche und der Strohhaufen wurden mit keiner Sylbe erwähnt. Die Geschichte aber ward dennoch weiter erzählt, und es lebt noch Mancher, der sie als Kind aus der Ferne mit angesehen hat.

Die Kunst, die Parteien unter einen Hut zu bringen, war freilich in der guten alten Zeit etwas ungeschlachter Natur; aber wer sie zum Guten anzuwenden wußte, dem sah man gern die rauhe Form nach, die freilich in unserem erleuchteten Zeitalter unendlich verfeinert worden ist. War auch die Ruthe manchmal scharf, die er zu kosten gab, so befand sich Land und Volk doch vortrefflich unter dem väterlichen Regimente des Herzog Jörg, und die Söhne und Enkel jener Männer von Herbedorf nennen noch mit Ehrfurcht seinen Namen.





Das deutsche Sängerfest in Nürnberg.

(Schluß.)


Schon um 5 Uhr am nächsten Morgen (Sonntag den 21. Juli) durchzogen Musikchöre die Stadt nach allen Richtungen, um mit ihrem Sängerruf die Festtheilnehmer zu ermuntern, denn schon auf die siebente Stunde war die Probe zur ersten Aufführung angesetzt. Während des Morgens strömten in unabsehbarer Menge fremde Besucher von nah und fern der Stadt zu und füllten die festlich geschmückten Plätze und Straßen, vertieft im Anschauen all der Herrlichkeiten. Allein da gab es fürwahr auch wahrhaft Schönes in Menge zu sehen, denn die Nürnberger hatten ihren Stolz darein gesetzt, in diesen festlichen Tagen ihren Gästen auch einen Begriff der früheren großen Bedeutung der Stadt zu geben. Wohl nur wenige Städte können sich einer so bewegten und zugleich so glänzenden Vergangenheit rühmen als Nürnberg, und wenige Stätte haben wohl eben so viel bedeutende Männer in ihren Mauern leben und wohnen gesehen. Alle die Häuser aber, welche durch ihre Insassen oder durch besonders festliche Gelegenheiten so große Berühmtheit erlangten, waren durch prachtvolle, sinnige Gemälde verziert, die fast ohne Ausnahme echte Meisterwerke waren. Um die Bilder wenigstens nur kurz anzudeuten, bemerke ich, daß natürlich keiner der alten Nürnberger Kunstkoryphäen vergessen war. Albrecht Dürer’s Geburtshaus und sein späteres Wohnhaus, die Häuser des Hanns Sachs, Veit Stoß, Adam Krafft, des Volksdichters Griebel zierten herrliche Bilder; an Peter Bischer’s Haus war eine schöne Hautreliefarbeit angebracht. Unter allen Bildern standen treffliche Sprüche, von denen ich hier nur als Probe denjenigen anführen will, womit Professor Hoffmann das Bild des Hanns Sachs zierte. Der biedere Meistersänger rief den Beschauern zu:

Die ihr vor meinem Hause steht,
Laßt Euch, bevor ihr fürbaß geht,
Noch sagen einen guten Spruch:
Singen ist fein, doch nicht genug.
Müßt treulich, was die Meister sagen,
Auch heim in Stadt und Häuser tragen,
Daß Fried’ und Einigkeit erwachs’
Durch’s deutsche Land: Das wünscht Hanns Sachs.

Des gelehrten Behaim, der mit Columbus eng befreundet, so wie des mächtigen Pirkheimer, war an deren Häusern in großartigen Bildern gedacht. Die Katharinakirche, wo früher die Meistersänger ihre Singschulen hielten, zeigte das Bild eines solchen Volksdichters. Als Vertreterinnen kaiserlichen Glanzes strahlten die beiden alten Häuser der Patricierfamilien Rieter und Scheurl. In

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_587.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)