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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

in Paris, hatte behufs physiologischer Versuche zwei lebende Maulwürfe in ein Gefäß zusammengesperrt und ihnen in der Meinung, daß sie Pflanzenfresser seien, einige Wurzeln und Rüben zur Nahrung beigegeben. Des anderen Tages fand er von dem einen Maulwurfe nur den umgestülpten Balg; alles Uebrige war verzehrt, die Wurzeln dagegen nicht angerührt, obgleich der überlebende Maulwurf offenbar sehr unruhig und hungrig aussah. Flourens that einen lebenden Sperling mit ausgerupften Schwungfedern dazu. Der Maulwurf schnoberte an ihm herum, bekam einige Schnabelhiebe und wich 2–3mal zurück, stürzte sich dann blindlings auf den Vogel, riß ihm den Unterleib auf, erweiterte die Oeffnung mit den Tatzen und hatte in kurzer Zeit die Hälfte unter der Haut mit einer Art Wuth aufgefressen. Flourens stellte sodann ein Glas Wasser hinein, welches auswendig naß war; als es der Maulwurf bemerkte, stellte er sich aufrecht an das Glas, hielt sich mit den Vordertatzen an dem Rand und soff sehr viel mit großer Begierde; dann fraß er noch etwas vom Sperling, und war sodann völlig gesättigt. Es wurde ihm nun Fleisch und Wasser weggenommen; nach 6 Stunden war er aber schon wieder hungerig, höchst unruhig und schwach; der Rüssel schnüffelte beständig herum. Kaum kam ein neuer lebendiger Sperling hinein, so fuhr er auf ihn los und biß ihm wieder den Bauch auf, um zuerst zu den Eingeweiden zu kommen. Als er die Hälfte gefressen und gierig gesoffen hatte, so sah er wieder strotzend aus und war vollkommen ruhig. Den anderen Tag war das Uebrige aufgefressen bis auf den umgestülpten Balg, der Maulwurf aber schon wieder hungerig. Er fraß sogleich einen Frosch auf, und fing immer mit den Eingeweiden an. Als er des Nachmittags schon wieder hungerig war, bekam er eine Kröte. Sobald er an sie stieß, blähte sie sich auf, und er wendete wiederholt die Schnauze ab, als wenn er einen unüberwindlichen Ekel empfände; dann bekam er in der Nacht nichts als Wurzeln von Möhren, Kohl und Salat. Den andern Tag war er Hungers gestorben, ohne etwas angerührt zu haben. Wenn er mithin den Pflanzenwurzeln schädlich ist, so geschieht es, weil er Würmer, Insecten, besonders Larven daran, oder darin findet. Darauf wurden wieder drei Maulwürfe bloß zu Wurzeln und Blättern gesperrt; sie starben alle drei vor Hunger; mehrere dagegen, welche mit lebendigen Sperlingen und Fröschen, oder mit Rindfleisch, Regenwürmern, Kellerasseln, die sie besonders lieben, genährt wurden, lebten sehr lange.

„Ich habe ein Vierteljahr lang,“ fügt Oken diesem Auszuge aus Flourens’ Aufsatz bei, „einen Maulwurf in einer Kiste mit Sand gehabt, durch welchen er sich fast so schnell wühlte, wie ein Fisch durchs Wasser, die Schnauze voran, dann die Tatzen den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachschiebend. Ich stellte ihm auf Tellerchen Wasser und geschnittenes Fleisch hin, bald rohes, bald gekochtes, wie es zur Hand war. Er zeigte aber keineswegs eine besondere Gefräßigkeit. Brod und Pflanzenstoffe rührte er nicht an. Uebrigens befand er sich immer wohl, und schlüpfte fast unaufhörlich durch seinen Sand. Endlich bekam ich einen zweiten, den ich zu ihm setzte. Kaum bemerkten sie einander, so gingen sie auf einander los, packten sich mit den Kiefern und zerbissen sich Minuten lang mit einander. Darauf fing der Neuling an zu fliehen; der alte suchte ihn überall, indem er blitzschnell durch den Sand fuhr. Ich machte nun dem Neuling eine Art Nest zurecht in einem Zuckerglas, und stellte es während der Nacht in den Kasten. Den andern Morgen lag er todt im Sande, aber unversehrt. Er muß also von selbst aus dem Zuckerglas gekommen, und von dem andern todt gebissen worden sein, aber offenbar nicht aus Hunger, sondern aus bösartigem Naturell. Der schwache Unterkiefer war entzwei gebissen. Am andern Tag war auch der alte todt, nicht an einer Verwundung, sondern, wie es schien, an Ereiferung und Erschöpfung im Kampfe.“

So haben wir denn auf alle Weise die Bestätigung, daß der Maulwurf ein rein fleischfressendes Thier ist; daß er höchstens durch die Haufen, die er aufwirft, den Pflanzungen und namentlich den Wiesen schädlich werden kann; daß er ein unersättlicher Feind aller jener unterirdischen Thiere ist, die, wie z. B. Werren, Engerlinge und Würmer, die Wurzeln unserer Nutzpflanzen schädigen. Der Maulwurf ist ein grausames, bissiges, unverträgliches Thier, das mit allen lebenden Wesen, die ihm in den Weg kommen, und wären es seines Gleichen, auf Tod und Leben kämpft und das ganze Jahr hindurch in Thätigkeit auf seiner Jagd sich findet.

Die feste Burg, die der Maulwurf bewohnt, ist ein höchst eigenthümlicher kunstvoller Bau, der gewöhnlich an einem geschützten Orte unter einer Hecke, einer Mauer oder zwischen den Wurzeln eines Baumes ein bis drei Fuß unter dem Boden angelegt wird. In der Mitte befindet sich eine innen wohl geglättete Kammer von Flaschenform, die mit Moos und feinen Grashalmen ausgepolstert ist, welche der Maulwurf nächtlicher Weile an der Oberfläche holt. Die Kammer hat verschiedene Ausgänge; einen heberförmig gebogenen nach unten, der später horizontal wird und die gemeinschaftliche Laufröhre bildet, und drei kurze Röhren nach oben, welche in einen kreisförmigen Gang münden, der einige Zoll über der Kammerdecke ausgehöhlt ist. Aus diesem oberen Kreisgange führen 5 bis 6 schiefe Röhren in einen zweiten größeren Kreisgang, welcher die Kammer etwa in gleichem Niveau umgiebt. Aus dem größeren unteren Kreisgange strahlt nun manchmal ein Dutzend Röhren nach allen Seiten aus, die indessen nach kurzem Verlaufe umbiegen und alle in die gemeinschaftliche Laufröhre einmünden. So hat denn der Maulwurf in seiner Kammer Ausgänge nach allen Seiten, die ihm gestatten, nach jeder Richtung hin zu entfliehen, sobald irgendwo eine Gefahr droht. Die Laufröhre selbst ist ein weiter Gang, innen hart geschlagen und geglättet, der manchmal 100 bis 150 Schritte weit in horizontaler Richtung fortführt und an dessen Ende erst das eigentliche Jagdrevier des Maulwurfs beginnt, das sich durch die aufgeworfenen Haufen kennzeichnet. In der unmittelbaren Umgebung seines Nestes jagt der Maulwurf nie; dort hält er seine Ruhe nach beendigter Jagd und Mahlzeit. Wenigstens dreimal im Tage rennt er nach Beute aus, und wenn man einmal die Laufröhre selbst kennt, die sich meist durch gelindes Gelbwerden des Grases an der Oberfläche kenntlich macht, so kann man leicht das Ein- und Ausziehen des Maulwurfes und die große Geschwindigkeit, mit welcher er sich innerhalb der Laufröhre bewegt, auf die Weise beobachten, daß man dünne Strohhälmchen mit Fähnlein an den Enden in die Laufröhre hineinsticht, die dann durch ihre Bewegung das Fortschreiten des Maulwurfes kund thuen. Wehe der unglücklichen Maus oder Spitzmaus, die sich in eine solche Laufröhre verirrt – sie ist unrettbar verloren; wehe auch dem schwächeren Maulwurfe, dem der Herr des Ganges auf seinem Wege begegnet: er wird zur Bethätigung der Nächstenliebe nach hartem Kampfe gespeist, und wenn es das eigene Kind wäre.

An dem Ende der Laufröhre beginnt das Jagdrevier, aus unregelmäßigen Gängen bestehend, die während der Jagd selbst ausgehöhlt werden, indem der Maulwurf die Erde vor sich her stößt und von Zeit zu Zeit zu einem Haufen aufwirft. Bei jeder Jagd werden neue Gänge gegraben, neue Haufen aufgeworfen, und selten nur läßt sich ein Maulwurf zum zweiten Male in einem Jagdgange betreten. Die erfahrenen Maulwurfsfänger wissen dies sehr wohl und stellen deshalb ihre Fallen stets in der Laufröhre auf, durch welche der Maulwurf wenigstens sechs Mal im Tage auf seinen Jagdgängen hin und her passirt, freilich zur großen Verwunderung der Laien, welche die Fallen an Orten stehen sehen, in deren Nähe gar keine Haufen sich finden.

Die Familienbande fesseln den Maulwurf wenig – nichts desto weniger ist er ein wahrer Blaubart in Beziehung auf Eifersucht. Im Frühjahre streift er umher, ein Weibchen zu suchen, und bemächtigt sich seiner mit Gewalt. Naht ein Nebenbuhler, so wird das Weibchen schnell in einigen Gängen eingeschlossen, aus denen es nicht entweichen kann, und dann dem Störenfried muthig entgegen gegangen. Sobald sich die beiden Nebenbuhler treffen, entspinnt sich unter der Erde in einem schnell ausgewühlten Raume ein hitziger Kampf, der mit dem Tode oder der Flucht des Schwächeren endet. Aber treu dem leider so oft vernachlässigten Grundsatze, daß nur die Todten nicht wiederkehren, frißt auch der Sieger den Unterliegenden erst auf, bevor er zu dem harrenden Weibchen zurückkehrt. Nun wird an einem geschützten Orte ein warmes wohlgefüttertes Nest mit sternförmig ausstrahlenden Gängen angelegt, in welchem die Gatten sehr treu und friedlich mit einander hausen; die eheliche Zärtlichkeit soll sogar während des Honigmondes der Liebe so bedeutend sein, daß man Maulwurfsmännchen gefunden haben will, die in der Nähe des Ortes, wo das Weibchen gefangen wurde, an gebrochenem Herzen zu Grunde gegangen waren. Allzu heftige Leidenschaft dauert gewöhnlich nicht allzu lange. Sobald die nackten, unbeholfenen Jungen, die erst nach zwei Monaten etwa das Nest verlassen, geboren sind, scheint den Papa das Gequieke derselben

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_126.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)