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Seite:Die Gartenlaube (1861) 025.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Tischdrehens zu thun gehabt. Es ist aber dabei noch eine andere Seite zu berücksichtigen, die uns von selbst auf die Tischklopferei und die Psychographie überleitet.

Wie wir gesehen haben, ist die Drehung des Tisches eine festbestimmte durch das Uebergewicht, welches die Druckkräfte der Hände nach dieser Seite hin ausübten. Allein es tritt doch der Fall ein, daß unter gewissen Verhältnissen der Tisch sich plötzlich in entgegengesetzter Richtung bewegt, und dies scheint unserer ganzen Erklärung schnurstracks zuwider zu laufen – denn die Kräfte wirken ja nach einer bestimmten Richtung, für die kein Grund vorhanden zu sein scheint, sich so plötzlich umzukehren. Allerdings ist dieser Grund vorhanden, und er liegt in dem unbewußt eingreifenden Willen der Betheiligten. Nur wenn diese die Ansicht hatten, der Tisch werde sich nach der entgegengesetzten Seite hin drehen, tritt jener Fall wirklich ein, – mochte diese Ansicht, der unbestimmte Wunsch, nun hervorgerufen sein durch den Glauben an eine veränderte Wirkung der Kette, wie sie z. B. hervorgebracht werden sollte durch eine Veränderung der gegenseitigen Lage der kleinen Finger, oder durch ein anderes Vorurtheil. Von solch einer Absicht, über die sich die Dreher selbst keine Rechenschaft geben, geleitet, beginnen die Hände plötzlich und unbewußt nach der bestimmten Richtung hinzuarbeiten, und der Erfolg dieser Einwirkung des Willens ist ein so unfehlbarer und sicher eintretender, daß sich bald Regeln bildeten, wie für die Bewegungen des Ringes im Glase.

Es war nur eine ganz unwesentliche Abänderung, daß man den Tisch klopfen ließ; denn sobald die Krankheit in das Stadium getreten war, wo es den Leuten nur darauf ankam, bald den gewünschten Effect zu sehen, wartete man nicht mehr ab, bis sich der Tisch allmählich in Bewegung setzte, sondern das Schieben und Drängen begann schon, ehe die Erschlaffung der Muskeln eintrat. Von hier hat die Erklärung es auch nicht mehr mit Physikalischem, sondern lediglich mit Psychologischen, zu thun. Es ist charakteristisch, daß der Tisch so lange nicht klopfte, als man überhaupt vom Klopfen noch nichts wußte. Nachdem aber dieser Ton einmal angeschlagen war, fand man keinen Tisch mehr, der sich nach seiner frühern Art mit einer bescheidenen Wanderung durch die Stube begnügt hätte. Sie wollten auf einmal alle Propheten sein. Warum? Weil die Daranstehenden es wünschten, denn es war bei weitem unterhaltender, von einem hölzernen Geräthe vernünftige Antworten zu erhalten, als mit demselben im Zimmer herumzuturniren und sich von seinem Hintermann auf die Hacken treten zu lassen. Die Antworten, die der klopfende Tisch gab, wurden dirigirt, wie diejenigen die der Ring im Glase gab, entweder von Allen zugleich, wenn die Antwort eine bekannte war, oder nur von Einzelnen. Wenn Fragen gestellt wurden, auf die Niemand antworten konnte, so half zwar der Tisch immer noch aus der Noth, aber was er sagte, war jederzeit Unsinn.

Wohl zu unterscheiden von dem Tischklopfen ist der amerikanische Humbug, welchem zufolge sich Geister aus Schränken, Tischen etc. heraus durch Klopfen mit den „Medien“ unterhielten. Die Medien dieser Art waren Gauner, die das Klopfen durch eigenthümliche Bewegungen der Sehnen und Bänder ihrer Beine hervorbrachten. Sie sind bereits früher in der Gartenlaube nach Gebühr behandelt worden.

Das eigentliche Tischklopfen besteht in einem abwechselnden Kippen des Tisches nach einer Seite, das durch irgend eine Ungleichheit des Druckes hervorgerufen und durch die Nachgiebigkeit aller Hände unterstützt und fortgesetzt wird. Es ist das Mittel, wodurch die Spiritualisten, sofern sie nicht gemeine Betrüger sind, sondern nur urtheilslose Menschen, die sich selbst täuschen, in direkten Verkehr mit einer Geisterwelt treten zu können glauben. Da es für diese Leute durchaus nicht darauf ankommt, daß Vernunft in der Antwort sei, so befriedigt sie jede, und je blödsinniger der Ausspruch des Orakels uns erscheint, um so höher und verehrungswürdiger halten sie ihn. Andere lassen die Tische schreiben, das bedeutet, sie haben einem kleinen tischähnlichen Dreifuß an das eine Bein einen Bleistift gebunden, welcher, wenn der Tisch sich auf einem Stück Papier hin- und herbewegt, erkennbare Züge auf seiner Unterlage hinterläßt. Indem nun die „Medien“ eine Kette bilden, bewirken sie bald eine Bewegung des Tisches und Zeichnungen, welche schriftähnliche Züge, deren Enträthselung dem einen Gliede der Kette immer sehr leicht gelingt, vorstellen. Ob der Tisch fünfmal oder zehnmal zum Klopfen veranlaßt wird, oder ob er ein e oder ein k zu schreiben dirigirt wird, das bleibt sich, denken wir, gleich. Die Psychographen, so heißen die schreibenden Tische, sind nichts Anderes, als vom unbewußten Willen der Medien regierte Geräthschaften. Im Uebrigen glaube man von allem, was über die Wunder des Klopfens und Schreibens erzählt wird, nur, was man selbst gesehen hat, denn nebenbei sind jene Phantasten immer die größten Lügensäcke, die man unter der Sonne finden kann. Alles zur Verherrlichung ihres Glaubens.

Es ist traurig, daß es heut zu Tage noch auf dem Boden des Geistes und Gemüthes Winkel giebt, in denen sich die pure Dummheit, der Blödsinn und die Unsittlichkeit theils gegenseitig verwirren, theils von der Gaunerei sich die spärlichen Verstandesöffnungen noch vollends vernageln lassen. Unter den ersten Titel gehören die an und für sich unschädlichen Geistercitationen, die bald mit der Herzogin von Berry, bald mit einem Kirchenvater, bald mit dem frommen Schinderhanns sanfte Seelenaustauschungen pflegen. Unter den zweiten rangiren aber alle diejenigen redlichen Freunde, welche durch allerhand Taschenspielerwerke, zu denen selbst eine oberflächliche Bekanntschaft mit der experimentalen Physik so leicht die Mittel findet, den Zauber zu erhöhen wissen, und die es mehr auf Geld, als auf Gemüth und Gesinnung absehen. Solch Einer ist Ehren-Home, dessen Werke mit denen Cagliostro’s zusammengebunden werden müssen. So wenig man von uns eine genaue Erklärung aller Bosco’schen Kunststücke verlangen würde, – so gern wird man uns ein näheres Eingehen auf solche Praktiken erlassen, die nicht anders zu beurtheilen sind als die Werke der bekannten „ägyptischen“ und „indischen Magie.“




Ein Wildschützen-Stücklein.

Aus dem bairischen Walde.

Was den von Passau am linken Donauufer sich hinziehenden sogenannten böhmisch-bairischen Wald besonders charakterisirt, ist die tiefe Wildniß. In anderen Gebirgen findet man nur selten einen Platz, wo nicht die Thätigkeit des Menschen bemerkbar wird; in den Thälern klappert das Mühlrad, in dem Walde raucht der Meiler, und auf den Höhen tönt der Schlag der Aexte und das Kreischen der Sägen. Aber wer von diesen Höhen niederschaut, sieht unten nichts als einen endlosen, dunklen Wald, ruhig und ernst, und die tiefe Stille wird nur unterbrochen vom Klopfen des Spechts oder von dem heisern Krächzen der Raben. Lange wird dieses Bild nicht mehr dauern, bereits dringt man von allen Seiten in das Innerste dieser Waldungen, und Hunderte von Mühlen verarbeiten Millionen von Stämmen zu jenen kleinen, zum Schiffsbau bestimmten Bretern, die nach Regensburg und von da weg auf dem Canale nach Holland geführt werden.

Nachdem ich bereits den Arber, den König des Waldes, mit seinen beiden gefeiten Seen, wovon der größere auf seinem Grunde goldene Fischlein mit diamantenen Augen birgt, von denen jedes ein Königreich werth ist, und den finstern Rachel mit seinem düstern See besucht hatte, beschloß ich den Lusen zu besteigen, von dessen wunderlicher geognostischer Bildung ich viel Anziehendes gehört hatte. Ich begab mich deshalb nach H …, wo ich an dem dortigen Revierförster einen alten Bekannten hatte, dessen Beistandes ich versichert war.

Es war an einem schönen Augustmorgen, als wir mit dem ersten Grauen des Tages den interessanten Marsch antraten. Während der Nacht hatte sich trotzdem, daß der vorhergehende Abend wenig daran denken ließ, ein starkes Gewitter von heftigem Regen begleitet entladen. Der Boden war weich, und die aus den Thälern entsteigenden Dünste verhüllten die Höhen, aber die Lust war rein und frisch, und wir griffen wacker aus.

Als wir den Wald betraten, umgab uns noch keine Waldeinsamkeit; denn eine große Anzahl Arbeiter war hier auf einer langen Strecke beschäftigt, eine Straße den Berg hinauf zu führen, und das Krachen fallender Bäume und das Sprengen der Felsen donnerte uns entgegen. Es war ein Bild der Entweihung, und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_025.jpg&oldid=- (Version vom 11.1.2022)