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Seite:Die Gartenlaube (1859) 244.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Küche, Lagerraum, Dienst- und Laternenstube sind mit Fliesen belegt, die Wand der Laternenstube aber, damit es nicht darin stäuben möge, auch noch mit kleinen weißen Fliesen.

Das oberste Ende der Kuppel der Laterne, die ein regelmäßiges Zwölfeck bildet und einen äußeren Durchmesser von 11½ Fuß hat, steht 118 Fuß über Null, das Licht der Laterne aber mit seinem Kerne 107 Fuß über Null, Diese Laterne, die außer ihren zwölf gußeisernen Ständern von 1 bis 3½ Zoll Stärke noch 60 Zwischensprossen hält, von denen die drei unteren Reihen mit Wasserrinnen und die untersten mit Ventilationsöffnungen versehen sind, besteht aus 48 Spiegelscheiben von ½ Zoll Stärke und ist mit einem Blitzableiter versehen.

Das Licht, nach dem Fresnel’schen Systeme, ist ein katadioptrisches[1] zweiter Ordnung, fest und weiß, und wird fünfzehn bis sechzehn Seemeilen weit gesehen. Auf vielen früher erbauten Leuchtthürmen bediente man sich parabolisch geschliffener und versilberter Hohlspiegel. Diese Spiegel stellte man in die Peripherie eines Kreises, damit die zu beleuchtende Horizontfläche davon beleuchtet würde. Man hat später bemerkt, daß ungeachtet des hellstrahlenden Lichtbündels, welches solche Hohlspiegel hinauswerfen, dennoch in der Entfernung dunkle Zwischenräume entstehen, was zu Täuschungen Anlaß geben kann. Die von Fresnel getroffene Einrichtung hat diesem Uebelstande abgeholfen. Er nahm im Centrum der Laterne einen einzelnen Lichtpunkt als Brennpunkt und stellte einen Glasapparat auf, welcher cylinderförmig um den Brennpunkt herumgeht. Der Mitteltheil dieses Glasapparates ist, der Höhe nach, linsenförmig dioptrisch (strahlenbrechend), seine oberen und unteren Theile dagegen sind katadioptrisch (strahlenbrechend und wiedergebend) eingerichtet. Diese oberen und unteren Theile des Apparates bestehen aus prismatisch geschliffenen kreisförmigen Glasringen, deren Seiten oder Steigungen so berechnet sind, daß die aus dem Brennpunkts dahin kommenden Lichtstrahlen von der ersten Fläche gebrochen und dann von der zweiten so reflectirt werden, daß sie horizontal und parallel mit der Achse ausströmen, indem jeder Lichtstrahl, welcher aus einem Prismenglase nach dem Gesetze der Brechung unter einem Winkel, welcher kleiner als 90° ist, in die Luft austritt, nicht gebrochen, sondern reflectirt wird. So gelingt es Fresnel, das ganze von seinem Apparate bestrahlte Feld des Horizontes dergestalt zu beleuchten, daß es auch nicht von der geringsten Verdunkelung unterbrochen wird.

Das Licht des Bremer Leuchtthurmes erhellt nun westlich die See um die Insel Wangerooge, südlich die ganze breite Wasserfläche der Wesermündung vom Leuchtthurme nach Bremerhaven und wieder rückwärts von Blexen nach Fedderwarden. Unbeleuchtet dagegen bleibt die Küste der Mellum[2] und die ganze Jahde, eine Fläche, die 120 Grad des Horizontes mißt. Dieser Raum ist im Fresnel’schen Apparate mit parabolisch geschliffenen Hohlspiegeln oder Reflectoren von versilbertem Kupfer ausgefüllt, welche die Intensität des Lichtes ungemein verstärken.

Nähert sich nun ein Schiff, über die Wasserwüste der Nordsee steuernd, der Wesermündung, so tritt es in der Gegend der ersten Weserschlüsseltonne, in einer Entfernung von etwa 16 Seemeilen, in den Bereich des Lichtkreises, welchen der Apparat des Bremer Leuchtthurmes über das Meer ausstrahlt. Der Schiffer weiß jetzt, wie er steuern muß; damit er aber, dem Lichtkerne, mithin auch der Küste näher kommend, die sichere Fahrstraße nicht verliere und sich zu sehr den gefährlichen Untiefen in der Wesermündung nähere, hat man noch ein besonderes Warnungslicht im Bremer Leuchtthurme angebracht. Es befindet sich dies ebenfalls katadioptrische Licht fünfter Ordnung in einer abgeschlossenen Abtheilung des Küchenraumes, ungefähr 38 Fuß über ordinärer Fluthhöhe. Das Licht ist weiß und dient vorzugsweise dazu, den Seefahrern anzudeuten, wo sie die bisher auf das große Licht des Thurmes genommene Richtung zu verlassen haben. Den weißen Glanz dieses kleinen Lichtes im Auge behaltend, vermeiden die ansegelnden Schiffe die gefahrvolle Mellum oder den sogenannten schwarzen Tonnenwall, finden leicht den Eingang nach dem Dwasgatt, und erreichen so unbehindert die Gegend der Jungfernbaake, womit das Einlaufen in die Weser für glücklich beendigt gelten darf. Sollte jedoch der Zufall solche Schiffe nur um ein Geringes zu weit südlich abführen vom sicher einzuhaltenden Cours, so tritt vor das erwähnte kleine Licht als Warner ein rother Schein, welcher dem Schiffer andeutet, daß er anders steuern müsse. Erst wenn das weiße Licht ihm wieder entgegenwinkt, droht ihm keine Gefahr mehr.

Es liegt auf der Hand, daß Tausende von Menschen ohne das Vorhandensein der Leuchtthürme an den Küsten und in den Strommündungen elend zu Grunde gehen würden. Da aber unendlich viel auf die Pflege solcher Lichter ankommt, damit ihr Schein genau so, wie er für Seefahrer durch officielle Bekanntmachungen angegeben wird, auch stets in See sichtbar sei, gehören zu den Aufsehern oder Wärtern auf Leuchtthürmen ebenso zuverlässige, wie streng gewissenhafte Leute. Es existiren daher für Leuchtthurmwärter, deren jeder größere Thurm mehrere hat, die strengsten und minutiösesten Vorschriften, die sich theils auf ihr Verhalten selbst beziehen, theils und vornehmlich mit der Instandhaltung des höchst complicirten Apparates, ferner mit der Behandlung und Anzündung der Lampen, mit dem Aufsetzen der Gläser, dem Putzen der Laternen etc. beschäftigen. Jeder Docht, jede Lampe, jedes Glas u. s. w. hat seine Reserven, die eben so gut gehalten sein müssen, wie die im Dienst befindlichen. Einsatzscheiben für die Laterne sind ebenfalls in ausreichender Zahl vorhanden, denn es ist möglich, daß der Orkan eine Scheibe zerbricht oder, was auch schon vorgekommen ist, daß die im Sturm gegen das Mauerwerk rasende See losgerissene Steine bis zur Laterne hinaufschleudert und eine der halbzölligen Spiegelscheiben einknickt. Ferner muß daher auch einer der diensthabenden Wächter, so lange die Lampen brennen, in der Laternenstube anwesend sein, weshalb für den Winter dazu erforderliche warme Kleidung für die Wächter Seitens des Staates geliefert wird.

Es würde zu weit führen, die Behandlung des Apparates vor und bei Anzündung der Lampen zu beschreiben, obwohl das Verfahren dabei schon interessant ist, weil man Alles berechnet hat, um kein auch noch so unbedeutendes Fäserchen an einem der Dochte, kein Stäubchen an den Glascylindern sich ansetzen zu lassen. Für keinen Menschen auf der Welt ist die größte Ordnungsliebe und Accuratesse eine heiligere Pflicht, als für die Lampenwärter auf Leuchtthürmen. Nur der höchst sinnreichen Einrichtung des Apparates möge, da sie für jeden Gebildeten von Interesse ist und vielleicht mehr als einen binnenländischen Leser veranlaßt, Bremerhaven und die Wesermündung zu besuchen, am Schlusse dieses Aufsatzes noch gedacht werden.

Der optische Theil dieses Apparates besteht aus vier Linsenschirmen von Glas, acht Schirmen mit dreiseitigen prismatischen Ringen, welche sich ober- und unterhalb der Linsenschirme befinden, und aus zwei mit Silber plattirten Reverberen. Diese letzteren nehmen ein Drittheil des Horizontes oder 120° als verdunkelten Theil, wie schon vorhin bemerkt wurde, ein, während die Glastheile das Licht der Lampen auf zwei Drittheile oder 240° hinausstrahlen.

Diesen sinnreich construirten Apparat erleuchtet eine mechanische Lampe mit drei concentrischen Dochten, deren Flammen sich im gemeinsamen Brennpunkt der Gläser und Reverberen befinden. Druckkolben führen der Flamme das erforderliche Oel zu. Ueber dem Glascylinder der Lampe ist ein mit einer Klappe versehenes Blechrohr, der Regulator, angebracht. Dieser mündet in ein Abzugsrohr, welches den Dunst und Qualm der Lampe bis über die Glasringe hinausleitet. Der ganze optische Apparat steht so fest, daß er nicht verrückt werden kann. Die Lampe trägt ein auf den Diensttisch befestigter Dreifuß. Ehe sie eingestellt wird, muß ihr Gang in allen ihren Theilen vorher einige Stunden genau beobachtet werden. Hat die Flamme nach erfolgter Einstellung ihren vollen Glanz erhalten, so muß sie 500 Grammes oder 1 Pfund Oel per Stunde verbrennen. Damit dies geschehe, und die Flamme stets in voller Lichtentwickelung verbleibe, wird viermal so viel Oel, als die Flamme eigentlich verbraucht, zu ihr hinaufgehoben, nämlich 2000 Grammes oder 4 Pfund per Stunde, oder 250 Grammes in 7½ Minuten. Das übrig bleibende Oel fließt über und in den Behälter zurück.

Besteht der eigentliche Zweck aller Leuchtthürme zunächst darin, den Seefahrern die Meerespfade an für die Schifffahrt gefährlichen Gegenden zu beleuchten und ihnen die Richtung anzudeuten, in welcher sie dem noch fern liegenden Hafen zusteuern sollen: so treten doch häufig Umstände ein, welche diesen Zweck vereiteln. Undurchdringliche Nebel verhüllen auch die hellglänzendsten Lichter, und wenn

  1. Ein Licht, welches eine Vergrößerung oder scheinbare Annäherung des Sehgegenstandes bewirkt, und sowohl mittelst Brechung der Lichtstrahlen als durch Zurückstrahlung von Spiegeln aus hervorgebracht wird.
  2. Eine große Sandbank.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_244.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2023)