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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

unter den vielen Einzelgebieten der Naturwissenschaft die physische Geographie des Meeres unbedenklich als ein solches zu bezeichnen, welchem die eifrigste Theilnahme sich zuwenden wird, wenn es einmal mit gründlicher Sachkenntniß und in ansprechender Form für den großen Leserkreis aufgeschlossen werden wird.

Zu dieser Ansicht fühlt man sich wahrhaft hingerissen schon bei der flüchtigen Durchsicht der neuesten Schrift über die physische Geographie des Meeres von M. F. Maury, Marinelieutenant der Vereinigten Staaten, deutsch bearbeitet von Dr. Böttger (Leipzig bei G. Mayer). Ist das Buch auch nicht für den großen Leserkreis, sondern für den theoretischen und praktischen Fachmann bestimmt, so ist es dennoch im Ganzen so klar und lichtvoll geschrieben, daß jeder gebildete Leser darin eine Quelle von einem Wissen erkennen wird, von welchem an sich und von dessen außerordentlicher Bedeutung für Jedermann er bisher vielleicht kaum eine Ahnung gehabt hatte.

Die Wissenschaft in dieser Anwendung zieht das ferne Meer, welches Millionen Binnenlandbewohner nie sehen, in unsere unmittelbare Nähe. Wind und Wellen, die Sinnbilder regelloser Unbeständigkeit, verlieren durch die physische Geographie des Meeres diesen Charakter und gewinnen eine Stetigkeit, eine Festigkeit, daß wir sie mit Staunen als die sichere Grundlage unserer Klimate erkennen und sie die einförmige Wasserwüste in ein von Straßen und Strömen durchschnittenes Reiseland verwandeln. R.




Ein Schilling und ein Gulden, oder so tilgt man seine Schulden. Eines Tages, nach aufgehobener Tafel, stand der greise Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin vor dem Logirhause im Bade Dobberan und sah den burlesken Späßen des Policinello zu.

Unweit des Großherzogs befand sich ein Trupp Studenten, unter denen sich Einer durch Figur und Tracht besonders auszeichnete.

Er war auffallend klein, und die Natur hatte ihn obendrein mit dem stiefmütterlichen Geschenke eines ansehnlichen Höckers begabt. Was aber kleinen Musensohn vollends entstellte, so daß er einen höchst komischen Anblick gewährte, war seine Kleidung. Er war angethan mit kalbledernen Hosen, die, enganschließend, um so mehr den unvortheilhaften Bau zweier spindeldürren Beine hervorhoben; hohe Kanonenstiefel reichten hinauf bis zur halben Lende und schlotterten um die Beine wie Butterfässer; eine Schnürjacke umschloß den Leib und ein rothes Cerviskäppchen balancirte keck auf dem Haupte, von dem ein langes struppiges Haar auf die unbeneidenswerthe Erhöhung des Rückens herabflog. –

Der Großherzog musterte den kleinen Studenten von Kopf bis zu Fuß und sagte lächelnd zu seinem Kammerherrn: „Ein verteufeltes Kerlchen, das!“

In demselben Augenblicke trat ehrerbietig ein Orgeldreherweib zu ihm heran mit den Worten: „Königl. Hoheit, wenn ich um eine kleine Gabe bitten dürfte für meinen Policinello.“

Der Fürst, der eben noch mit Betrachtung des kleinen Musensohnes beschäftigt war, antwortete lachend: „die kleine Lederhose da wird für mich bezahlen.“

Die Virtuosin des Leierkastens machte eine ungläubige Miene. Der Herzog, dies bemerkend, sagte bestimmt: „Geh Sie nur hin, das Männchen bezahlt.“

Das Orgeldreherweib trat verlegen an den buckligen Studio, hielt ihr Tambourin hin und sprach: „Königl. Hoheit sagten mir so eben, Sie würden für ihn bezahlen.“ –

„Mit Vergnügen!“ rief der Musensohn, „hier hat Sie einen Schilling für den Großherzog von Mecklenburg, und hier einen Gulden für einen rostocker Studio.“

„Ein witziges Kerlchen!“ schmunzelte der Herzog, der genau des Studenten Rede verstanden hatte, „den muß ich näher kennen lernen; rufen Sie den kleinen akademischen Bürger zu mir!“ befahl er seinem Kammerherrn.

Nach einigen Augenblicken stand unser Bruder Studio vor dem Fürsten.

„Königl. Hoheit haben befohlen –“

„Gefällt mir, hast Dich gut aus der Affaire gezogen - ganz charmant - wahrhaftig. – Was studirst Du?“

„Theologie.“

„Theologie? O weh, wirst schwerlich Dein Glück machen.“ – Bei diesen Worten sah der Fürst lächelnd auf den Buckel des Musensohnes.

„Königliche Hoheit meinen vielleicht, diese überflüssige Erhöhung könnte mir in meinem Fortkommen hinderlich sein? – Ich denke künftig einmal eine Predigt zu halten, daß man den äsopischen Hügel darüber vergessen soll.“

„Meinst Du?“ fragte der Herzog. „Nun gut, die Gelegenheit, Dein Talent zu zeigen, will ich Dir geben. Melde Dich, wenn Du Deine Studien absolvirt hast; sollst dann bei der nächsten Vacanz mit zur Probepredigt gelassen werden. Heute Abend aber komme mit Deinen Commilitonen zur Table d’hôte, könnt Euch ’nen vergnügten Abend machen!“ –

„ Bin gerne vergnügt, Königl. Hoheit, nie aber vergnügter gewesen, als in diesem Augenblicke, wo ich das Glück gehabt habe, vor den Augen meines gnädigen Landesvaters Gnade zu finden!“ –

Am Abend saß das muntere Studentenvölkchen im Logirhause an der Tafel.

Alle Badegäste sahen lächelnd auf den Kleinen und flüsterten untereinander: Das ist der kleine Witzbold, der sich heute Mittag so allerliebst aus der Sache gezogen hat. Still! er disputirt mit dem Kellner.

Letztgenannter hatte eben einen Korb Champagner gebracht, der von dem kleinen Studio bestellt worden war. „Nun, worauf warten Sie noch?“ frage er den zögernd dastehenden dienenden Geist.

„Auf Bezahlung. Wollten Sie die Gefälligkeit haben?“

„Auf Bezahlung?“ lachte der Musensohn „da wenden Sie sich an unseren guten Landesvater, heute Mittag bezahlte ich für ihn, heute Abend ist’s billig, daß er für mich bezahlt.“

Der Kleine ist jetzt Prediger einer größeren norddeutschen Stadt. -




Zwei merkwürdige religiöse Sekten. Wie in der Türkei überhaupt, so herrscht in der Moldau und Walachei ein buntes Sektenwesen. Die merkwürdigsten unter den in diesen Ländern vorhandenen Sekten sind unstreitig die sogenannten Starowierczi (Altglauber) und Skopitzi (Hämmlinge). Die Starowierczi, d. h. Altgläubge oder Roskolniki, stammen aus Rußland. Sie schieden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus der orthodoxen griechischen Kirche, weil sie sich mit der von dem moskauer Patriarchen Nikon vorgenommenen Revision der alten Gebetbücher nicht einverstanden erklärten, die neuverbesserte Bibelübersetzung verwarfen, und nur die Schriften der älteren Patriarchen anerkannten. Sie scheiden sich in zwei Sekten: die Philipponen und Lippowaner. Erstere erkennen keinerlei geistliches Oberhaupt der Kirche an und haben keine ordinirten Priester. Die Taufe verrichtet der Vater des Kindes. Die Ehe wird durch eine vor Zeugen abgegebene Erklärung geschlossen. Die übrigen gottesdienstlichen Handlungen verrichtet der sogenannte Starik, eine Art von Presbyter. Ihren Namen haben die Philipponen von einem ihrer Alten, Philipp Postoswiat, um welchen sie sich schaarten, als sie aus Rußland vertrieben wurden. Die Lippowaner, welche übrigens in ihren Religionsgrundsätzen mit den Philipponen übereinstimmen, haben ihre eigenen Priester, daher sie auch in Rußland geduldet werden. Die Ableitung ihres Namens ist nicht bekannt. Die in Ibraila ansässigen Altgläubigen sind sämmtlich Lippowaner. Sie haben eine Kirche, eigene Geistliche, und ihr Ritus ist fast ganz jener der orthodoxen griechischen Kirche. Sie stimmen auch mit dieser Kirche in Betreff der Fasten und der Feiertage überein. Als besondere Eigenthümlichkeiten treten bei ihnen hervor: das Verbot der Ehescheidung und der Nichtgebrauch der Aerzte. In Bezug auf letztere Vorschrift antwortet ein Daskal (Lehrer) auf die an ihn deshalb gerichtete Frage: „Domnezer a dat, domnezer a hrat“ (der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen). Von den Philipponen und Lippowanern verschieden sind die sogenannten Skopitzi. Diese sondern sich von Andersglaubenden besonders streng ab. Es herrscht bei dieser Sekte, die nur aus männlichen Mitgliedern besteht, der sonderbare Gebrauch der Entmannung. Sie meiden die Gesellschaft der Weiber und leben immer zu 4 bis 6 Personen in einem Hause zusammen. Die Bewohner eines Hauses nennen sich Brüder und scheinen in einer Art von Gütergemeinschaft zu leben. Stirbt einer von ihnen, so bleibt das Vermögen desselben den übrigen Bewohnern des Hauses, die sich durch Proselyten wieder ergänzen. Durch Versprechungen und selbst durch Gewalt suchen sie Proselyten zu machen. Unrichtig scheint die häufig gehörte Behauptung, daß sie eine Zeit lang in der Ehe leben und sich erst nach einer bestimmten Zeit oder nach Erzeugung von zwei Kindern entmannen. So viel man hat ermitteln können, tritt die Entmannung sofort nach der Aufnahme in die Sekte ein und die Skopitzen als solche kennen die Ehe nicht. Ueber ihre gottesdienstlichen Gebräuche hört man, daß sie bei ihren Zusammenkünften sich mit langen weißen Hemden bekleiden und ähnlich wie die tanzenden Derwische so lange herumspringen, bis das Hemd von Schweiß trieft. Stirbt ein Skopitz, so wird er in aller Heimlichkeit begraben, ohne daß die Andersglaubenden erfahren, wo der Leichnam bleibt. Die Skopitzen schlafen nicht auf Polstern, rauchen nicht, genießen weder geistige Getränke noch Fleisch und leben nur von Thee, Eiern, Milch u. s. w.• Eigentliche Feste halten sie nicht. In Jassy und Bukarest kommen sie in größerer Zahl vor.


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