Seite:Die Gartenlaube (1854) 549.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

No. 46. 1854.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 11/2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 121/2 Ngr. zu beziehen.

Die Stedinger.
(Fortsetzung.)
IV.
Ein bewegter Abend.

„Das Mädchen hat seinen eigenen Kopf; war immer etwas absonderlich,“ meinte jetzt der Schultheiß zum Junker, der wie träumend noch hinausschaute, wo das Mädchen verschwunden war. Jetzt wachte er gleichsam auf, und rief: „Das Mädchen kann keine Bäuerin sein!“

„Ihr werdet doch ihre Mutter nicht noch im Grabe beschimpfen wollen“, entgegnete der Schultheiß, halb ernst, halb komisch.

„O, selig der Leib, der sie gebar?“ rief nun schwärmerisch der Junker aus.

Der Schultheiß schüttelte mit leichtem Lächeln den Kopf und wendete sich dann zum Pater, der die Zeit über in sorgenvollem Brüten bei Seite gestanden hatte:

„Ehrwürdiger Herr! Ihr müßt verzeihen, wir konnten Eure Botschaft nicht mehr geziemend empfangen, derweil die Sonne untergegangen war. Bis morgen müßt Ihr Euch gedulden, und wollt denn auch Ihr nun mein Gast sein? Oder dürft Ihr nicht ruhen, nicht Trank und Speise nehmen, bei dem Ketzer?

Dieses Wort betonte der Fragende mit leise vorwurfsvollem und etwas ironischem Ton. – Der Pater sah ihn mit wehmüthigem Ernste an und antwortete:

„Der Erzbischof hat mir Dispens ertheilt zu diesem Gang in Euer Land. Ich darf.“

„Uns auch die Hand reichen, wie in guter alter Zeit?“ Und der Schultheiß hielt ihm treuherzig die braune, schwielige Hand entgegen. Die Augen des Paters füllten sich mit Thränen; aber er drängte sie zurück, daß sie nicht überströmten, während er mit halber Stimme antwortete:

„Nein, Schultheiß, das darf ich nicht!“

„Nun, doch nicht minder willkommen, ehrwürdiger Herr. – Drinnen beim Weine wollen wir ein gutes Wort mit einander reden. Herr Junker, wenn’s –“

Er wollte sagen, „wenn’s beliebt“ – aber da sah er erst, daß der Junker mit hellem Zorn im Antlitz dem bleichen Kurt vom Büchel gegenüber stand. Es waren schon böse Worte gewechselt, dem Kurt hatte es wüthend an Hirn und Herz gezerrt, was der Junker gesprochen von der Elsbeth. Er war zu ihm herangetreten mit höhnischem Erinnern:

„Als wir Euch bei Himmelskamp die Köpfe entzwei schlugen, sahet Ihr nicht so glückselig drein, als jetzt, Herr Junker.“

„Einfältiger Prahler!“ entgegnete der Junker, „ein paar Miethlinge erschlugt Ihr uns; das ist Alles.“

„Nun, Ritter können auch an die Reihe kommen. Aber Söldner-Blut ist fruchtbar; unsere Felder wuchsen prächtig drauf. Vielleicht wachsen sie später noch prächtiger.“

„Frecher, – Du wagst es? Wärst Du dem Ritter nur schwertfähig“ –

„Schwertfähig? Hoho! Junker, Junker! wir sprechen uns noch von wegen der Schwertfähigkeit; verlaßt Euch darauf.“ – Mit diesen Worten klopfte er dem Junker auf die Schulter; heftig stieß dieser den Arm zurück, – zornig wollte Kurt ihn fassen, – neugierig, abwehrend, zudrängend, kamen Männer, Bursche, Knaben hervor; da drehte sich der Schultheiß um, da war aber auch auf einmal Alles still und ruhig. Der Junker warf nur noch rasch einen Blick zurück auf die Menge und folgte mit klopfendem Herzen dem Schultheiß und dem Pater in’s Haus. Der Klaus bekam vom Schultheiß noch den Auftrag, Alles was Füße und Gurgeln habe, zum Abendtanz und Abendtrunk einzuladen. –

„Aber daß Ihr mir den Junker ehrt und seinem Stande gebt, was Recht ist, derweil er unser Gast; führt er sich nicht würdig seines Ranges, so wollen doch wir uns zeigen als wackere Leute. Doch er ist gut im Gemüthe; ich hab’ ihn schon fast lieb gewonnen, – das richte Du aus!“ So schloß der Schultheiß seinen Auftrag an den Klaus und ging dann hin, seine Elsbeth zu suchen. Der Klaus sah ihm nach und murmelte vor sich hin:

„Der Schultheiß wird mir zu vernünftig. O, den Henker über so Halb und Halb. Ich wollt’, es wäre erst wieder Zeit zum Dreinschlagen; dann weiß man doch, woran man ist, und wo das Recht steckt. Mein Recht ist: was ich fassen kann mit meiner Faust. Wenn ich nur zugreifen dürfte, – ich wollte sie schon zusammendrücken.“

Derweil stand Elsbeth vor dem großen Herde, – und war es nur noch das Fener des einen Augenblicks, oder war es das Feuer des Herdes: sie glühte noch immer an Wangen und Augen, und wenn der Schaum auf den Töpfen überlief, sah sie dem ruhig zu und rührte sich nicht; sie zählte die Blasen die zischend von den Kohlen aufstiegen. Wohl hatte der Vater Recht gehabt, wenn er sie ein „absonderliches Mädchen“ genannt; wohl war sie das echte Kind ihrer schwarzen Erde; stark, muthig, rüstig, gesund an Leib und Seele und Gedanken. Kein besseres Hauswesen war zu finden als das, was sie führte, an der frühverstorbenen Mutter Stelle. Kein Vater konnte treuer geliebt, sorgsamer gepflegt

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_549.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)