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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

zu verhindern sei. Davy umgab daher eine gewöhnliche Oellampe mit einem eisernen Drahtnetz, das auf den Quadratzoll 7–800 Maschen zählt; den oberen Theil dieses Cylinders schützte er durch stärkeres Metallblech vor Zerstörung durch die Flamme und das Ganze durch Stäbe gegen die äußere Einwirkung einer mechanischen Gewalt, so daß 100 Pfund schwere Kohlenstücke darauf fallen konnten, ohne die Sicherheitslampe zu zertrümmern.

Unter Davy’s eigener Leitung wurden in den gefährlichsten Gruben um Newcastle und Whithaven Versuche mit der Sicherheitslampe angestellt. Anfangs betrachteten die Bergleute den winzigen Apparat mit mißtrauischen Augen, aber bald mußten sie erstaunen und festen Schrittes drangen sie nun vor bis zu Orten, die sonst ihr Fuß nie zu betreten gewagt hatte. Mit der größten Verwunderung beobachteten sie, wie sie durch die verschiedenen Veränderungen der Flamme im Innern des Cylinders den Zustand der Wetter in den verschiedenen Theilen der Grube mit zuverlässiger Sicherheit ausmitteln konnten. Dringt das Grubengas in den Cylinder ein, so verlängert sich die Flamme nach und nach, bis sie den ganzen innern Raum erfüllt; sie brennt dann blau. Ist das Gemenge gefährlicher, so erfolgen innerhalb zahlreiche kleine Explosionen, oft so schnell hintereinander, daß die Luft in tönende Schwingungen geräth und diese jammernden Töne scheinen sich zu beklagen über die Herrschaft, die der menschliche Scharfsinn über das zerstörende Wesen gewonnen hat. Wie ein entwaffneter und eingekerkerter Wütherich geberdet sich die Flamme; mit ohnmächtiger Wuth leckt sie gierig gegen das Gitter ihres Gefängnisses, aber ihre Macht ist gebrochen. Wollte sie aus dem beengenden Raum hindurch in’s Freie, so muß sie sich in eben so viele kleine Flämmchen theilen als Maschen, und diese werden dann leicht durch die Strömung der von außen eindringenden kälteren Luft erstickt.

Von allen Seiten wurde Davy’s Entdeckung mit Beifall aufgenommen, ein Jeder beeilte sich, „dem Talente, welches uns mit den Eigenschaften und Kräften eines der gefährlichsten Wesen, mit denen es die Menschen zu thun haben, vertraut gemacht hatte, die höchste Bewunderung zu zollen.“ Ueberall, in England, Belgien, Frankreich und Deutschland wurde die Sicherheitslampe eingeführt und überall erklärte man sich durch ihre Leistungen vollkommen zufrieden gestellt. Jetzt wurde es auch möglich, große Strecken von Steinkohlen zu bebauen, welche vorher für durchaus unzugänglich gehalten worden waren. Auch bei dem Umgange mit anderen leicht feuerfangenden Stoffen, wie Pulver, Spiritus, Aether etc. hat sie sich durchaus bewährt. Nach einem mehr als zweijährigen erprobten Gebrauch überreichten die Grubenbesitzer am Tyne- und Weafluß bei einem Festmahle zu Newcastle am 11. Octob. 1817 Davy ein silbernes Tafelgeräth – 2000 Pfd. Sterl. an Werth, als Dank für den wichtigen Dienst, welchen er ihnen und den armen Bergleuten durch seinen Scharfsinn geleistet hatte.

Nichts desto weniger fehlt es nicht an Leuten, welche die Hülfsmittel, die uns die Wissenschaft bietet, herabsetzen und den Werth eines jeden der Menschheit geleisteten Dienstes zu verkleinern geflissentlich bemüht sind. Wie bei dem Ei des Columbus, war auch hier, nachdem einmal die Aufgabe gelöst, ein Jeder klüger. Von allen Seiten wurden Davy’s Sicherheitslampe Unvollkommenheiten vorgeworfen. Während man es früher nicht weiter gebracht hatte, als bis zu den Funken eines Feuersteines, forderte man jetzt eine glänzende Beleuchtung. Wie die Pilze nach einem befruchtenden Regen aus der Erde hervorschießen, wucherten die Verbesserungsvorschläge, die aber alle den Werth der einfachen Davy’schen Lampe nicht herabzusetzen im Stande waren. Viele dieser vermeintlichen verbesserten Lampen boten weit weniger Sicherheit, andere weit weniger Licht und noch andere waren zu schwer und viel zu theuer für den gewöhnlichen Gebrauch.

Es ist nicht zu leugnen, daß Davy’s Lampe mit Unvollkommenheiten behaftet war. Sobald sie sich aber beim Gebrauch herausstellten, war er selbst bemüht, allen billigen Anforderungen Genüge zu leisten. Die meisten Klagen wurden gehört über das geringe Licht, obgleich es gerade für den Arbeiter ausreicht, und über die Sorgfalt, mit der man die Lampe behandeln müsse. Durch die feinen in der Grubenluft schwebenden Kohlentheilchen wurde der Drahtcylinder leicht verstopft und hierdurch zugleich die Gefahr gesteigert, da diese seinen Theilchen sich leicht an dem unter Umständen glühenden Cylinder entzünden und so eine Explosion herbeiführen konnten. Die neue Einrichtung hilft allen Mängeln ab. Die Lampe wird jetzt durch eine dicke Glaskugel gebildet und durch einen doppelten Cylinder wird der innere vor den feinen Kohlentheilchen und der äußern vor dem Erglühen geschützt. Folgten sich die Explosionen im Innern der Lampe zu schnell, so wurde die Flamme oft ausgelöscht und der Bergmann war mit Finsterniß umhüllt. Auf sinnreiche Weise hat Davy dafür gesorgt, auch für diese Fälle dem Grubenarbeiter hinreichend Licht zu verschaffen, um sicher aus diesen Regionen der Finsterniß zu Tage zu gelangen. Er brachte in der Lampe eine Spirale von Platindraht an, der die Flamme umgiebt und dadurch glühend wird. Selbst wenn nun auch die Flamme erlischt, behält der Draht diese höhere Temperatur doch bei, so lange sich der Arbeiter in einer Atmosphäre des Kohlenwasserstoffes befindet, denn dieses fährt fort, langsam an dem glühenden Draht zu verbrennen und bietet so wenigstens einen Leitstern für den Rückzug.

Bei aller Sicherheit, welche diese einfache Vorrichtung gewährt, hörten aber die Unglücksfälle nicht auf. Ja die Morning Post brachte sogar einen Aufsatz mit der Ueberschrift: „Die Menschheit hat durch Davy’s Sicherheitslampe nichts gewonnen,“ in welchem sie behauptete, daß in einem kleinen Bezirke des unendlichen Englands in dem Zeitraum von 1805 bis 1816, also vor Davy’s Entdeckung, 284, von 1817 bis 1828, nach der Einführung der Lampe, aber 360 Grubenarbeiter – also 76 mehr – das Leben durch Entzündung der schlagenden Wetter eingebüßt hätten. Hieran waren aber die Sicherheitslampen ganz unschuldig. Es liegt in der Natur des Menschen, der sich so gern das vernünftigste Wesen nennt, eine gewisse Lust zur Widerspenstigkeit begründet; das Thun des Herrn der Schöpfung offenbart stets eine gewisse Unvernunft. Der Bergmann, von Jugend auf an Gefahren gewöhnt, lernt bald diesen Trotz bieten; er denkt nicht an die, welche ihn bedroht. Er glaubte in der Sicherheitslampe eine gefeite Reliquie zu besitzen, die ihn kugelfest mache und schlug alle Mahnungen zur Vorsicht in den Wind. Unter den nichtigsten Gründen, oft nur um die Tabackspfeife anzuzünden, ja selbst aus Laune und Eigensinn, entfernte er die schützende Hülle von der Lampe. Dadurch, daß oft sein unkluges Thun keine nachtheiligen Folgen herbeiführte, wurde er darin bestärkt, bis die vernichtende Strafe ihn ereilte, die aber keinesweges anderen zum mahnenden Vorbilde diente.

Andererseits aber trifft gerechter Tadel die Besitzer der Gruben, die sich nun jeder Sorge für die Grubenarbeiter überhoben glaubten und den Wetterwechsel auf das Gröblichste vernachlässigten. Unter allen Umständen gewährt die Sicherheitslampe keinen Schutz, sie zeigt aber die Gefahr hinreichend früh an, daß man ihr entrinnen kann. Sie muß durch eine zweite Einrichtung unterstützt werden; es muß ein hinreichender Zug der frischen Luft, auch sonst dringend nothwendig für die Gesundheit der im Schoße der Erde Arbeitenden, die Gruben durchziehen und für Fortschaffung, oder wenigstens Verdünnung der schlagenden Wetter sorgen. Freilich findet ein solcher Wetterwechsel schon von selbst durch den aufsteigenden Schacht hindurch, statt; die ungleichen Temperaturen im Innern der Gruben und an der Erdoberfläche bedingen einen Luftaustausch; die wärmere und daher leichtere und schlechte Lust steigt aus den Gruben auf und die kältere, daher schwerere, reine Luft sinkt in diese nieder. Aber dieser Wechsel ist nicht kräftig genug und kann sich auch wegen der fehlerhaften Anordnung des Baues nicht über alle Theile der Gruben in gleichem Maaße erstrecken; er muß also durch künstliche Mittel unterstützt werden.

Die einfachsten Mittel sind auch hier die besten. Complicirte Maschinen sind ganz zu verwerfen, denn geräth irgend ein Theil in Unordnung, so wird die Wetterführung ganz unterbrochen. Die wirksamsten Mittel sind hier Anwendung der Wärme oder des Dampfes. Auf dem einen Schacht befindet sich ein Ofen, der die zur Unterhaltung des Feuers erforderliche Luft nur aus dem Schacht selbst, also auch den Gruben erhalten kann. Die auf diese Weise fortgenommene Luft wird nothwendigerweise durch frische ersetzt, die in einem zweiten Schachte niedersinkt. Um hier eine Fortpflanzung des Feuers durch die schlagenden Wetter in die Gruben selbst unmöglich zu machen, bringt man in der Zugröhre, durch welche die nöthige Luft einströmt, ähnliche Drahtnetze an, wie bei den Sicherheitslampen. Von größerer Wirksamkeit noch sind Dampfströme an der Sohle – dem Grunde des Wetterschachtes. Durch das Feuer unter dem Kessel und durch die Wärme und die Kraft des Dampfes wird die Luft aus den Gruben geschafft und neue, reine Luft sinkt hinreichend nieder.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_339.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)