Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1853) 450.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

mit mannichfaltiger Verzierung und Glasur, in Deutschland als freies Gewerbe. Der innungsmäßigen Töpferei bleibt das allerschlechteste Geschirr, wenn sie sich nicht in einzelnen ihrer Genossen erhebt.

Die Thonwaaren von Erfurt, Kahla, Eisenach, zeigten offenbaren Fortschritt auch im Geschmack. Groß ist hier noch das Feld der Bearbeitung.

Neben den Porzellan- und Irdenwaaren sah man die Gläser schwach vertreten. Hübsches Tafelglas, ordinäres Hohlglas, aber Nichts von Kristallglas mit Schliff und Verzierung! Hat Thüringen darauf verzichtet, mit Böhmen, Schlesien, selbst Baiern zu wetteifern? Selbst die Glasperlen und Glasbläsereien des Thüringer Waldes hatten sich versteckt gehalten. Warum? Weil sie sich auf dem Augustusplatz in Leipzig ausbreiten? –

Man kann es nicht gut begreifen, warum die Glasfabrikation in Thüringen sich in so enge Schranken hält? Fortschritt ankündigend zeigten sich die Tafelglaswaaren von Dietharz, die Hohlglaswaaren von Gehlberg.




Blätter und Blüthen.

Sympathien und Antipathien. Daß der menschliche Körper seiner Organisation zufolge durch anscheinend leichte, ja fast unbemerkbare Eindrücke große Veränderungen erleiden kann, ist eine bekannte, wiewohl in vielen Fällen noch durchaus nicht erklärte Thatsache. Wenn man plötzlich in den hellen Sonnenschein tritt, so wird zuweilen augenblicklich jene heftige Erschütterung veranlaßt, welche wir Niesen nennen. Das Heruntersehen von einer steilen Höhe macht den Kopf schwindlig; wer lange in einen Strudel blickt, läuft Gefahr hineinzufallen, und wenn man auf einem segelnden Schiffe stehend die Augen auf das Wasser heftet, so stellt sich bald Erbrechen ein. So wie Kitzeln mit einem Strohhalm an der Nase zum Niesen reizt, so werden bei einem schrillenden, kratzenden Geräusch oft die Zähne stumpf, ja man hat Personen gekannt, denen das Zahnfleisch zu bluten anfing, wenn sie ein Messer wetzen hörten. Ein Freund von uns hat eine Dame gekannt, die bei dem Schall einer Klingel allemal ohnmächtig ward und dann einige Minuten lang wie todt dalag. Krämpfe, besonders bei Frauen, stecken oft durch den bloßen Anblick an, und daß krankhafte Körper Einwirkungen ausgesetzt sind, welche gesunde unberührt lassen, geht daraus hervor, daß die feinen Dünste, welche vor der Aenderung des Wetters in der Luft schwimmen, von Leuten, die mit alten Wundschäden behaftet sind, deutlich empfunden werden, aber blos an den krankhaften Stellen. Wie Viele giebt es, denen es übel wird, wenn sie beim Fahren rückwärts sitzen, und wie viele Andere, denen der Geruch des Moschus, den Manche so gern haben, unausstehlich ist.

Abgesehen von diesen Antipathien aber, welche einer großen Anzahl Menschen eigen sind, giebt es noch andere, die nur höchst vereinzelt vorkommen und manchmal sonderbar genug sind.

So pflegte zum Beispiel der Cardinal Oliverius Caraffa während der Zeit, wo die Rosen blühen, sich, weil der Duft derselben ihm Ohnmachten zuzog, in sein Zimmer einzuschließen und Niemand, der eine Rose an sich trug, durfte seinen Palast betreten, noch viel weniger in seine unmittelbare Nähe kommen. – Johannes Querceto, Secretär des Königs Franz I. von Frankreich, mußte sich die Nasenlöcher mit Brod zustopfen, so oft Aepfel auf der Tafel erschienen, deren Geruch er so wenig ertragen konnte, daß wenn man ihm einen Apfel dicht unter die Nase hielt, diese anfing zu bluten. — In einer uns genau bekannten Familie befand sich noch vor wenigen Jahren ein Knabe – er starb später – der nichts Gekochtes oder Gebratenes essen konnte, sondern sich mit Brod, Obst und Milch begnügte; auch konnte er nicht feineres oder weißes Brod essen, sondern blos von Schwarzmehl gebackenes. Im Winter aß er gedörrte Aepfel, Birnen, Kirschen, Nüsse u. s. w.; seine Milch mußte ebenfalls kalt sein, denn er konnte einmal nichts Heißes oder Warmes essen. Zuweilen genoß er auch ein Ei, aber dann schwollen ihm allemal die Lippen auf, sein Gesicht bekam purpurrothe und schwarze Flecken und es trat ihm Schaum vor den Mund, gerade als ob er Gift genossen hätte.

In einem alten Schriftsteller lesen wir von der unglaublichen Antipathie eines vornehmen Herrn, welcher es nicht ertragen konnte, wenn ihn ein altes Weib ansah, und als seine Freunde, um sich einen Scherz zu machen, ihn einmal unvermuthet in die Nähe einer antiquirten Schönheit brachten, stürzte er zu Boden und gab auf der Stelle den Geist auf. Vielleicht wäre ein Wiederbelebungsversuch mit einem jungen schönen Mädchen nicht ganz erfolglos gewesen.

Die Katzen haben das Unglück, Gegenstand der Antipathie vieler Menschen zu sein. Ein sehr guter Freund von uns, der sonst durchaus kein Feigling ist und wenn es sein müßte, mit einem Löwen anbinden würde, kann in keinem Zimmer bleiben, in welchem sich eine Katze befindet. Neulich besuchten wir zusammen einen Bekannten, der uns zu Tische gebeten hatte. Kaum hatten wir uns gesetzt, so ward mein Freund unruhig, schnüffelte in der Luft herum, sprang plötzlich auf und erklärte, es müsse eine Katze im Zimmer sein. Und so war es auch. Unser Bekannter, der diese Antipathie zeither immer für Ziererei oder Selbsttäuschung gehalten, hatte, um unsern Freund auf die Probe zu stellen, ohne einem Menschen etwas zu sagen, ein Kätzchen in einen Wandschrank eingesperrt.

Noch verbreiteter als gegen die Katzen ist die Antipathie gegen Spinnen, in Bezug worauf wir selbst

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 450. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_450.jpg&oldid=- (Version vom 14.4.2020)