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Ignatz (Isaac) Lichtenstein: Der Talmud auf der Anklagebank

bleibt und ausruft: Sehet! hier ist Gottesfinger, hier die Quelle unserer Veredlung, der Schlüssel der Weltschöpfung, der Ursprung unseres Heiles, hier der Ausfluß des reinsten Glaubens an den einigen Gott, hier das winzige Häuflein, das durch eine wunderbare innere Kraft mächtige welterschütternde Nationen Jahrtausende überlebt hat, hier der Gottesknecht Mose, dessen leuchtendes Gesicht auch unsern Horizont wie eine junge Sonne bestrahlt; hier der königliche Dichter Dawid, dessen Psalmen unsern Gottesdienst verherrlichen, hier der größte erhabenste Menschensohn, der Weltheiland, der berufen war und noch ist, ein Licht der Völker, ein Lehrer der Nationen, ein Wächter und Schatzmeister der sinaischen Offenbarung – der Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein.

Aber je höher, göttlicher, erhabener der gelehrte Verfaßer die Offenbarung und ihre Jünger stellt, um so entschiedner verurtheilt, verdammt, erniedrigt er – den Talmud. – Denn, hebt er fast in jedem Hefte hervor: „Das mündliche Gesetz ist anmaßend, legt sich göttliche Autorität bei, es ist tyrannisch, grausam, herzlos gegen Fremde, es erniedrigt das weibliche Geschlecht, befördert den Aberglauben, schwächt die Kraft der moralischen Pflichten, begünstigt äußerliches Gepräge ohne Gemüth, ohne Herz, ohne Weihe, ohne Gott – und bringt scheinbare Belege für seine abstrakten Behauptungen, die nur derjenige für rechtskräftig halten kann, der aus der Rumpelkammer einer einseitigen verblaßten Theorie, nicht aber aus der lebensfrischen Praxis das Seelenleben, Streben, Wirken und Schaffen – das innere Heiligthum eines echten, rechten Talmudjuden, seine Nüchternheit, Mäßigkeit, Geduld, Zähigkeit – sein Häusliches-, sein Familien-, sein Gemeindeleben kennt und zu würdigen verstehet.

Fraget aber die Weiber, sie werden’s euch sagen, wie der Mann ihnen Schätzung, Hochhaltung, unverbrüchliche Treue bis zum letzten Athemzug bewahrt, wie er gestrebt, gekämpft, gerungen, um im Schweiße seines betrübten Angesichtes für das tägliche Brot zu sorgen, wie er jedem Genuße außer dem Hause freiwillig entsagte, jeden Ueberfluß sorgfältigst gemieden, um nur für die Bedürfniße seines Hauses, für die Bequemlichkeit seiner angetrauten

Empfohlene Zitierweise:
Ignatz (Isaac) Lichtenstein: Der Talmud auf der Anklagebank. Buchdruckerei von Victor Hornyánszky, Budapest 1886, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Talmud_auf_der_Anklagebank_durch_einen_begeisterten_Verehrer_des_Judenthums_-_007.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)